Römer 3,24-26


von Esther Keller-Stocker

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7. Aaron, Aharon, Aruna

Ist es Zufall, dass der hebräische Begriff Aaron für Lade ähnlich lautet wie der Name des ersten Hohenpriesters Aharon oder wie der Name des Priesterkönigs Arauna in II. Samuel 24,18-20?

Die Etymologie von Aaron für "Lade" ist laut alttestamentlichen Forschung unbekannt. Allgemein wird Aaron als Lehnwort aus dem westsemitischen Sprachgebrauch verstanden mit der Bedeutung "Kiste", "Sarg" oder "Mumienbehälter". Im deuteronomistischen Sprachgebrauch bedeutet aaron "der Behälter der 10 Gebote" (V. Mose 10,1-8).

In zweiter Samuel 24 begegnet David dem Jebusiterpriester Arauna von Jerusalem. Jerusalem war wie viele syrisch-palästinensische Städte Ende des 2. Jahrtausend hethitisch und stand somit unter dem Schutz der hethitischen Staatsgöttin von Aruna (oder Arinna) (77). Aruna bezeichnet einen Ort in Anatolien, in der Nähe der hethitischen Hauptstadt. Der volle Name der hethitischen Staatsgöttin war Wuruschemu von Aruna (78). Sie wurde von den vorhethitischen Bewohner auf dem anatolischen Hochplateau verehrt. Die Hethiter selber nannten sie einfach Sonnengöttin von Aruna. Sie war die oberste Göttin des hethitischen Künigshauses und des Staates. E. O. James (79) beschreibt sie wie folgt:

"The Queen of the Land of Hatti, Heaven and Earth, Mistress of the kings and queens of the land of Hatti, directing the Government of the King and Queen of Hatti", but unlike the Hurrian Hebat she was essentially a solar deity. Her relationship, however, with the male Sungod was never clearly established"

Der namenlose Sonnengott (80) wurde der Staatsgöttin auf Druck der patriarchalen Staatsideologie anderer altorientalischen Staaten beigegeben, wie aus dem folgenden Text ersichtlich ist:

The Re, the Lord of the Sky; the Re of the Town of Arinna; Seth, the Lord of the Sky, Seth of Hatti; Seth of the Town of Arinna,...(81)

Hier wird die Sonnengöttin durch den ägyptischen Staatsgott Re und seinem Freund und Widersacher Seth ersetzt.

Da sich heutige Forscher eine weibliche Staatsgüttin einfach nicht vorstellen künnen, suchen sie Auruna in II. Samuel 24 mit dem indischen Gott Varuna gleichzusetzen. Dabei verweisen sie auf einen Vertrag, welcher zwischen dem Hethiterkönig Schubbiliuliuma und dem Mitannikönig Mattinaza um 1400 v.Chr. abgeschlossen wurde. Dieser Vertrag wurde aber von den Hethitern zu Füssen der Sonnengöttin von Aruna deponiert:

A duplicate of this tablet has been deposited before the Sungoddess of Arinna, because the Sungoddess of Arinna regulates kingship and Queenship (ANET, 205)

Im Mitannireich bewachte der Gott Tesub, Ehegatten der Göttin von Aruna, das Duplikat:

In the Mitanni land (a duplicate) has been deposited before Tesub, the Lord of the Kurinnu of Kahat.

Im besagten Vertrag figuriert Uruwana (= Varuna) mit Mithra zusammen in den hintersten Rängen der aufgeführten Götter- und Göttinnenliste. Auffällig ist dabei aber auch, dass Uruwana (Varuna) mit A-ru-na gleichgesetzt wird. Die Schreibweise dieses Vertragsabschnittes sieht wie folgt aus:

DINGIRmes Mi-it-ra-as-si-il DINGIRmes
U-ru-un-na-as-si-el
DINGIRmes Mi-it-ra-as-si-il DINGIRmes
A-ru-na-as-si-il
d-In-da-ra DINGIRmes Na-sa-at-ti-ia-an-na

Der Vertrag wurde offenbar in einer mit der Sprache nicht kompatiblen Schrift verfasst, sodass Wiederholungen von Wortelementen unvermeidlich waren. Die sich wiederholenden Elemente können also gestrichen werden. So freut sich Karl Jaros über die Entdeckung der vedischen Gottheiten in diesem Vertrag und schreibt (82):

Nach Ablösung der mitannischen Elemente (-ssil,-nna), sind das vedische Götterpaar Mitra und Varuna, der vedische Gott Indra und die Götterzwillinge Nasatya zu erkennen.

Doch offenbar kann und will Karl Jaros nicht sehen, dass beim ersten Mal neben Mithras U-ru-un-na-as-si-el steht, das zweite Mal A-ru-na-as-si-il, das heisst doch, Aruna wird mit Uruna gleichgesetzt.

Es ist also naheliegend, anzunehmen, dass die ähnlich klingenden Bezeichnungen Aaron (Lade), Aharon (Hohepriester) und Auruna (jebusitischer Priester) auf die hethitische Staatsgöttin von Aruna zurückgeht.

Was Aaron für die alten Israeliten bedeutete, schreibt Martin Noth (83) Aaron war das einigende Band für die israelitischen Stammesverbünde Ende des 2. Jahrtausends v. Chr. D.h. die sich formierenden israelitischen Stämme zu Beginn ihrer Geschichte verehrten die Sonnengöttin von Aruna als Bundesgöttin. Da diese Stämme stark matrizentristische Züge aufwiesen, war die Sonnengöttin von Aruna eine Art Übermutter, unter deren Schutz die Umwandlung von der matrizentristischen zur patriarchalen Struktur erfolgte. Nach der Teilung von Juda und Israel um 930 vor Chr. schien sie in Israel (Nordreich) durch die Fruchtbarkeitsgötter Baal und Ascherah ersetzt worden zu sein. Doch eine Aruna-Tradition gegen Baal und Ascherah musste bestanden haben, denn sie taucht als vielfältiges Interpretament zur "Identifizierung von Bund und Gesetz" beim Deuteronomisten in der Exilszeit wieder auf:

Damals sprach Jahwe zu mir: "Haue die zwei steinerne Tafeln, die die ersten waren, und steige herauf zu mir auf den Berg: auch mach dir eine hölzerne Lade Dann will ich auf die Tafeln die Worte schreiben, die auf den ersten Tafeln standen, die du zerschmettert hast, und du sollst sie in die Lade legen". Also machte ich eine Lade von Akazienholz und hieb zwei steinerne Tafeln, wie die ersten waren, und stieg auf den Berg, die beiden Tafeln in der Hand
(Dt. 10,1-3)

Die Funktion der Sonnengöttin von Aruna, die als Staatsgöttin für Recht und Ordnung stand, wird hier zwarEngel rechts übernommen, doch nicht mehr in ihrer Gestalt sondern als Behälter göttlicher Gesetzestafeln.

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Interpretation von Esther Keller
Text von 1985, letzte Revision im März 2013