Die Göttin hinter der alttestamentlichen Bundeslade, Teil 6

Esther Keller-Stocker

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altorientalische Sonnengöttin sps

6. I. Samuel 4 - Gott oder Göttin?

Die Berichte im Alten Testament, die uns in I. Mose bis II. Könige überliefert sind, gehen auf die babylonische Exilszeit zurück. Einige Texte wurden zwischen 597 bis 539 v. Chr. geschrieben, andere später. Dabei übernahmen alttestamentliche Autoren Texte aus älterem Material und interpretierten sie nach ihrer Ideologie um. Das ursprüngliche Material kann aus Ungereimtheiten in den Texten oder mit archäologischem Material erschlossen werden. Zum Beispiel bestand nach alttestamentlicher Überlieferung Israel zu Beginn ihrer Zeit aus 12 Stämmen, was sich aus den einzelnen Erzählungen nicht beweisen lässt. Die 12 Stämme Israels dürften eher eine Fiktion späterer Autoren sein. Der Name JHWH, wie der biblische Gott genannt wird, geht wohl auf die kultische Reform des Königs Josia (7. Jh. v. Chr.) zurück. In gewissen Texten ist JHWH eng mit Aaron Berith verknüpft. In den gängigen Bibelübersetzungen wird Aaron Berith Jahwe mit «die Lade des Bundes Jahwes» übersetzt, obwohl bekannt ist, dass die «Bundeslade» eine Idee aus der Exilszeit ist. Da stellt sich die Frage, was war Aaron davor? – Da die Lade meistens ohne Artikel geschrieben wird, dürfte es sich um den Namen einer Gottheit handeln. Dazu schreibt Peter Porzig (1):

Im Grunde erfüllt hier wie dort die Lade, die Funktion eines Götterbildes, das es für die exilisch-nachexilische Theologie verständlicherweise nicht gegeben haben darf. (S. 27)

In I. Samuel 4 ist von einer Gottheit «Aaron Berith ha-Elohim» (V.4) in Silo die Rede. In der Entscheidungsschlacht wurde sie ins Kriegslager der Israeliten gebracht. Aber wer war diese Gottheit? Aufgrund der Konsonanten ARN und Nachrichten aus der Zeit Ende des 2. Jt. v. Chr. kommt für mich nur eine Gottheit in Frage, die hethitischen Sonnengöttin von Arinna. Sie war die höchste Göttin des hethitischen Empires, das von Anatolien über Syrien bis nach Damaskus reichte (2). Zum hethitischen Einfluss in der damaligen Welt schreibt Francis Breier in «Ägypten und Anatolien» etwa:

Immerhin bezeichnet sich Ramses II. in der ÄHK immer als Satipna-Ria «Auserwählt von Re». Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang, dass sich der ägyptische König der Prominenz der Sonnengöttin von Arinna sogar vor dem Wettergott sehr wohl bewusst war, nennt er sie doch vor jenem in der Bekräftigung von Hattusilis Rechtsmässigkeit (ÄHK 20:50ff.). Es darf an dieser Stelle auch nicht unerwähnt bleibt, dass sich nur Ramses II. als «Grosse Sonne Ägyptens» bezeichnet, was eher für einen hethitischen Einfluss spricht als umgekehrt (S. 425).

Die Sonnengöttin von Arinna wurde vor allem als geflügelte Sonnenscheibe (3) verehrt. Dies wohl auch bei den frühen Israeliten. In der Bibel führte (4) sie die Israeliten vom Horeb/Sinai durch die Wüste. Im Gegensatz zu ihr ist uns die Göttin Aschera bekannt. Richard S. Hess (5) setzt ihren Kult auf ins 9./8. Jahrhundert. Demnach ist sie jünger als Aaron/Arinna. Aschera wird in der Bibel wortreich bekämpft. Anders Aaron/Arinna, ihre religiöse Bedeutung war enorm, sie offen zu bekämpfen schwierig. So versuchten alttestamentliche Theologen sie zu verdrängen. Sie verkommt, je jünger die Schriften sind, zum Wohnsitz Jahwes», zur hölzernen Kiste und letztlich zum «blossen» Kultmobiliar, um bei den Katholiken in der Gestalt der Muttergottes als «neue Bundeslade» wieder aufzuerstehen. – Die Art, wie Aaron im Alten Testament verdrängt wird, zeigt ihre immense Wichtigkeit, die sie einmal hatte. Aber nicht nur biblische Autoren sondern auch unsere Theologen weigern sich, ihre Bedeutung zu Beginn der israelitischen Geschichte zu erkennen. – Eine Göttin? – Unmöglich!

In der vorliegenden Arbeit möchte ich zeigen, dass Aaron Jhwh ursprünglich eher «AARON HWJH» hiess und die «Bundeslade des Herrn» auf AARON HWJH BAALATH (JEHUDA) zurückgeht.

6.1.1. Übersetzung I. Samuel 4

Der Kampf Israels gegen die Philister

  1. Und dies war das Wort Samuels an ganz Israel: Und Israel zog aus zum Kampf gegen die Philister. Und sie lagerten bei Eben-Eser, und die Philister lagerten in Afeq.
  2. Und die Philister zogen Israel im Kampf entgegen. Und als der Kampf nachliess, war Israel vor den Philistern geschlagen. Und diese erschlugen in der Schlachtordnung (מערכה) auf dem Feld gegen viertausend Mann.
  3. Und das Volk kam ins Lager und die Ältesten Israels fragten: Warum hat Jahwe uns heute vor den Philistern geschlagen? Lasst uns die Lade des Bundes Jahwes aus Silo zu uns holen, damit er in unsere Mitte und uns rettet aus der Hand unserer Feinde.
  4. Und das Volk sandte nach Silo, und man nahm von dort die Lade des Bundes Jahwes der Heerscharen, der über den Kerubim thront. Und dort waren die beiden Söhne Elis, Ḫofni und Pinḫas, bei der Lade des Bundes Gottes.
  5. Und als die Lade (Aaron) des Bundes Jahwes ins Lager kam, brach ganz Israel in grossen Jubel aus, und die Erde bebte.
  6. Und die Philister hörten den Jubel und fragten: Was bedeutet dieser grosse Jubel im Lager der Hebräer? Und sie erkannten, dass Aaron Jahwe in das Lager gekommen war.
  7. Und die Philister fürchteten sich, denn sie dachten: Gott ist in das Lager gekommen. Und sie sprachen: Gott ist in das Lager gekommen. Und sie sprachen. Wehe uns! Denn nie zuvor ist solches geschehen.
  8. Zürcher Bibel: Wehe uns! Wer wird uns aus der Hand dieses mächtigen Gottes retten?
    Luther Bibel: Wehe uns! Wer will uns erretten aus der Hand dieser mächtigen Götter? Das sind die Götter, die Ägypter schlugen mit allerlei Plage in der Wüste.
    King James Version: Who shall deliver us out of the hand of these mighty gods?
  9. Fasst Mut und seid Männer, ihr Philister, damit ihr nicht den Hebräern dienen müsst, wie sie euch gedient haben. Seid Männer und kämpft.
  10. Und die Philister kämpften, und Israel wurde geschlagen, und jeder floh zu seinen Zelten. Und es war eine sehr grosse Niederlage, und von Israels Fussvolk fielen dreissigtausend Mann.
  11. Auch die Lade Gottes wurde genommen und die beiden Söhne Elis, Chofni und Pinechas, kamen um.

Elis Tod

  1. Da lief ein Mann aus Benjamin aus der Schlachtreihe fort und kam am selben Tag nach Schilo, und seine Gewänder waren zerrissen, und auf seinem Kopf war Erde.
  2. Und als er ankam, sieh, da sass Eli auf dem Stuhl am Weg und hielt Ausschau, denn sein Herz hatte Angst um die Lade Gottes. Und der Mann war gekommen, um in der Stadt Bericht zu erstatten, und die ganze Stadt schrie auf.
  3. Und Eli hörte das Geschrei und sagte: Was bedeutet dieser Lärm? Und der Mann kam eilends und erstattete Eli Bericht.
  4. Eli aber war achtundneunzig Jahre alt, und seine Augen waren starr geworden, und er konnte nicht mehr sehen.
  5. Und der Mann sagte zu Eli: Ich bin der, der aus der Schlachtreihe kommt, ich bin heute aus der Schlachtreihe geflohen. Und er sagte: Was hat sich ereignet, mein Sohn?
  6. Und der Botschafter antwortete und sagte: Israel ist vor den Philistern geflohen. Und es gab auch eine grosse Niederlage (מגפה Plage!) im Volk, und auch deine beiden Söhne, Chofni und Pinechas, sind umgekommen, und die Lade Gottes wurde genommen.
  7. Als er aber die Lade Gottes erwähnte, fiel Eli rückwärts vom Stuhl (כסא) neben das Tor, brach sich das Genick und starb, denn der Mann war alt und schwer. Und vierzig Jahre lang hatte er Israel Recht verschafft.

Elis Schwiegertochter

  1. Und die Schwiegertochter, die Frau des Pinhas war schwanger und die Geburt stand kurz bevor. Und sie hörte die Nachricht, dass die Lade Gottes genommen worden war und ihr Schwiegervater und ihr Mann tot waren. Da brach sie zusammen und gebar, denn die Wehen waren über sie gekommen.
  2. Und als sie im Sterben lag, sagten die Frauen, die um sie standen: «Fürchte dich nicht, denn du hast einen Sohn geboren». Sie aber antwortete nicht und nahm es nicht wahr/nahm es nicht in ihrem Herzen auf.
  3. Und sie nannte den Knaben Ikabod und sprach: «Die Herrlichtkeit ist hinweg aus Israel!» - weil die Lade Gottes genommen war, und wegen ihres Schwiegervaters und ihres Mannes.
  4. Darum sprach sie: Die Herrlichkeit ist hinweg aus Israel; denn die Lade Gottes ist weggenommen.

6.1.2. Interpretation von I. Samuel 4

Der Schreiber beginnt die Erzählung mit dem «Wort des Samuels» (V. 1). Samuel war der junge Priester im Aaron-Tempels in Silo (I. Sam. 1-3). Was er in I. Sam. 4,1a sagt, wird nicht erwähnt, und in der laufenden Erzählung kommt er nicht mehr vor. Er dient hier lediglich als Übergang der ersten 3 Kapiteln zum Krieg Israels gegen die Philister (I. Sam. 4). Ob Samuel dazu aufgerufen hat, wird nicht gesagt, nur dass die Israeliten die Angreifer sind (6).

Als die Israeliten gegen die Philister vorrücken, kommen diese ihnen in geordneter Reihe (מערכה) entgegen und töten 4000 Mann. Darauf ruft das Volk Israel nach der Bundeslade Jahwes, die in Silo stand und von den Söhnen Elis bewacht wird. Auffallend ist die Bezeichnung der Lade in V. 4:

Und das Volk sandte nach Silo, und man nahm von dort die Lade des Bundes Jahwes der Heerscharen, der über den Kerubim thront. Und dort waren die beiden Söhne Elis, Ḫofni und Pinechas, bei der Lade des Bundes Gottes.

Nach Fritz Stolz setzt der Titel den Jerusalemer Tempel voraus und ist damit jünger als die erzählte Geschichte (7). Nach Jörg Jeremias gehört er aber nach Silo, dem Zentralheiligtum der mittelpalästinischen Stämme in der vorisraelitischen Zeit und betont:

Dabei verbürgt die Lade wie kein anderer Kultgegenstand die Gegenwart Jahwes (8).

Jörg Jeremias stellt auch fest, dass die Bundeslade die Wohnstätte Jahwes ist, wobei die Idee von kanaanitischen Wohnvorstellungen verschiedenster Herkunft übernommen wurde. Der Autor fügt hinzu: Die Bundeslade Jahwes wird in II. Samuel 6 von Baale Jehuda nach Jerusalem verlegt und mit El Elyon (dem höchsten Gott) verbunden und kommt zum Schluss: Eine davidische Tradition ohne die Bundeslade ist nicht denkbar (9).

In unserem Text I. Samuel 4 fand der Kampf zwischen Israeliten und Philister im Stammesgebiet Ephraims statt. Die Gruppe, die der Redaktor «Israeliten» nennt, dürfte vor allem aus diesem Gebiet stammen. Aber es ist auch von einem namenlosen Benjaminit die Rede, der dem Priester Eli die Nachricht von der israelitischen Niederlage überbrachte, was darauf hindeutet, dass auch einige Benjaminiter in der Schlacht gekämpft haben. Welche der 12 Stämme sonst noch mitgekämpft haben, ist aus dem Text nicht ersichtlich. Man darf also annehmen, dass hier nur eine kleine Gruppe gegen die Philister kämpfte. Aber für den alttestamenten Redaktor ist hier das ganzes Volk Israel anwesend (10).

Die Priester bringen die Bundeslade ins Heerlager der Israeliten. Als die Lade eintrifft, jubelt das Volk so stark, dass die Erde bebt (V. 5). Wieso bebt die Erde? JHWH ist doch ein Wettergott! Die Vorstellung «die Erde bebt» geht wohl auf die verheerenden Erdbeben von 1225 bis 1175 v. Chr. zurück, die den östlichen Mittelmeerraum erschüttert hatten und heute als «Erdbebensturm» bekannt ist (11). Archäologen können seine Schäden in diversen Städten Griechenlands nachweisen, aber auch in der Levante waren Städte wie Ugarit, Megiddo, Aschdod und Akko betroffen und auf Zypern die Stadt Enkomi (Tuzla) (12) . Da sich bei einem Erdbeben die Erde öffnet, ist in I. Samuel 4,5 mit einer Göttin zu rechnen und nicht mit einem Gott.

Auf das Getösse im feindlichen Lager erschrecken die Philister und fragen, was los sei bei den Hebräern. Sie nennen ihre Gegner also Hebräer und nicht Israeliten (V 6). Und sie erkennen, dass «AARON JHWH» (V. 6b) ins Lager der Hebräer gekommen ist.

Das sind die Götter, die Ägypten schlugen mit allerlei Plage in der Wüste (V. 8)

Aufgrund des Plurals «mächtige Götterw/m» müssen «AARON JHWH» eigentlich die Namen zweier Götter sein, und in Anbetracht der bebenden Erde zweier weiblichen Göttinnen. Eine weitere Ungereimtheit ist «die Plagen in der Wüste». Wir wissen doch alle, dass JHWH die Ägypter am Nil mit Plagen eingedeckt hatte. Die Philister reden aber «den Ägyptern in der Wüste».

Die Philister resignieren aber nicht und rufen erneut zum Kampf gegen die Hebräer auf und siegen! (V. 9). Dreissigtausend Hebräer sterben, während die restlichen Israeliten zu ihren Zelten fliehen – ein Hinweis auf den theologischen Hintergrund des Redaktors, dass Jahwe den «Rest Israels» rettet» (13). Da es für die Israeliten von vornherein eine riskante Aktion war, die strukturierte Armee der Philister anzugreifen, dürfte hier die alttestamentliche Vorstellung des vorsätzlichen Ungehorsams (14) Israels gegen seinen Gott mitschwingen.

Eine Schlachtordnung der Israeliten wurde erst in V. 12 nachträglich eingefügt, als der junge Benjaminit vom Schlachtfeld nach Silo kommt und dem Priester Eli von der Niederlage erzählt. Der Bote erzählt auch, dass die Philister die Lade Gottes genommen hatten. Während Aaron sonst eine männlichen Grösse ist, ist sie in V. 17 weiblich:

Und die Lade Gottes wurde genommen (וַאֲרֹ֥ון הָאֱלֹהִ֖ים נִלְקָֽחָה) ( V. 17)V. 17)

Im Gegensatz zu V. 11:

Die Lade Gottes wurde genommen (נלקח אלהימ וארון) (V. 11)

«Eine weibliche Gottheit genommen» hat durchaus eine sexuelle Note, d.h. hier ist eigentlich von einer Vergewaltigung die Rede, um den Gegner zu demütigen.

Als der unbekannte Bote die Nachricht in Silo überbrachte, sass Eli auf einem «Stuhl» und begrüsst den herankommenden Boten mit «mein Sohn» (V. 16). Dies kann als Anrede eines Älteren zu einem Jüngeren gelten. Aber bei Elis Lebenswandel als Vertreter Adonaj Jahwes (I. Sam. 1) ist er wohl eher der leiblicher Vater des benjaminitischen Läufers. Auf dessen Nachricht fällt Eli rücklings vom «Stuhl» (כסא). כסא (ksa) kann aber auch Thron bedeuten (15). Wenn Eli vom Thron fällt, ist er als Priesterfürst von Silo zu verstehen und mit dem Jebusiter Arawnah in Jerusalem (II. Sam. 24) vergleichbar.

Doch da ist noch die hoch schwangere Schwiegertochter Elis, die Frau seines Sohnes Pin(e)ḫas. Sie hört die Nachricht und ihre Wehen setzen ein. Bei der Geburt stirbt sie, doch davor nennt sie ihren Sohn I-Kabod «wo ist die Herrlichkeit?» Wie ich in Kapitel 1 gezeigt habe, dürfte «kabod jah»auf das hattische Wort für «Ištanu Kašbaru-jah» (Ištanu die Leuchtende) zurückgehen - «Ištanu, die Leuchtende» ist ein Name der Sonnengöttin von Arinna. Weiter stellt sich da die Frage, weshalb bringt der alttestamentliche Redaktor hier eine hochschwangere Frau ins Spiel, deren Tod weit wichtiger scheint als die 34'003 israelitischen Männer, die in der Schlacht umkommen? - Wo doch eine Frau nur die Hälfte eines Mannes wert ist (Lev. 27). Da müssten doch eigentlich von 68'006 Wöchnerinnen die Rede sein, um halbwegs den Wert der Männer aufzuwiegen? - Die Wöchnerin ist im Text nicht namentlich genannt, sondern es wird nur auffällig betont, dass sie die Schwiegertochter Elis und die Ehefrau Pin(e)ḫas sei? – Das legt den Verdacht nahe, dass sie selber Pin(e)ḫasw war.

a) Aaron Berith Jahwe

Dem alttestamentlichen Redaktor geht es um den Gott Jahwe. Doch der Text enthält auch einfach das Wort Gottheit «Elohim», so dass wir uns fragen: welche Gottheit genau ist gemeint? Auffällig ist Aaron JHWH (V. 6), aufgrund der Aussage der Philistern die Namen zweier Gottheiten.

Zur Übersicht habe ich zu Gottheit, Jahwe und Aaron eine Liste zusammengestellt:

V. 3Lade (des) Bundes Jahwes (Aaron Berith Jahwe)
V. 4aLade (des) Bundes Jahwes der Heerscharen, der über die Kerubim thront.
V. 4bLade des Bundes Gottes (Aaron Berith ha-Elohim)
V. 5Lade des Bundes Jahwes (Aaron Berith Jahwe)
V. 6Aaron Jahwe
V. 8aAus der Hand dieser mächtigen Götter
V. 8bDas sind die Götter, die Ägypten schlugen.
Das sind die Götter, die Ägypter schlugen mit allerlei Plage in der Wüste.
V. 11Lade Gottes (Aaron ha-Elohim)
V. 13Lade Gottes (Aaron ha-Elohim)
V. 17Lade Gottes (Aaron ha-Elohim, fem.)
V. 18Lade Gottes (Aaron ha-Elohim)
V. 19Lade Gottes (Aaron ha-Elohim)

Der alttestamentliche Redaktor führt in V. 3-6 den Gott Jahwe ein. Doch schon im ersten Satz wird JHWH mit Aaron Berith verbunden; ab V. 11 ist nur noch von Aaron ha-Elohim die Rede. Der ganz Text ist aus einem Guss. Der Redakteur schreibt im Sinne der JHWH-Tradition. Aber er schaut in eine alte Vorlage, die eine Gottheit beschreibt, die er als «Aaron Berith Jahwe» (die Bundeslade Jahwes) widergibt, denn «die Bundeslade Jahwes» gehört zum Repertoire der alttestamentlichen JHWH-Theologie. - Doch um nahe am Original zu bleiben, legt er den Philistern den älteren Inhalt in den Mund: «die Hebräer», «Aaron Jahwe», «die Götter» und «die Götter, die Ägypten in der Wüste schlugen». Diese Notizen gehören in das 2. Jahrtausend v. Chr. Der Redaktor lässt einiges vom Inhalte so, wie es ist, oder verändert es im Sinne der Jahwe-Ideologie.

Der Schreiber beginnt die Erzählung mit: Da erging das Wort Samuel an ganz Israel. Eigentlich würde man da erwarten, dass das Wort Jahwes an Israel ergeht, wie dies an anderen Stellen der Fall ist:

1. Mose 15,1Das Wort Jahwes erging an Abraham
1. Samuel 15.10Das Wort Jahwes erging an Samuel
2. Samuel 7,4Das Wort Jahwes erging an Natan
1. Könige 6,11Das Wort Jahwes erging an Salomo
1. Könige 12,22das Wort Gottes erging an Schemaja

Wenn der alttestamentliche Redaktor von «Das Wort Samuels erging an Israel» schreibt, deutet dies auf eine gewisse Unsicherheit hin, er realisiert, dass in den Vorlagen nicht von Jahwe handelt. Erst in V. 3a fügt er den ihm wichtigen Gott Jahwe ein, indem er das Volk Israel fragen lässt: «warum hat Jahwe uns geschlagen vor den Philistern?» Mit diesem Satz signalisiert er den Vergleich einer Krise aus den Anfängen der israelitischen Geschichte mit einer aktuellen Situation. Welche Situation gemeint ist, kann nur ungefähr aus dem Text erschlossen werden.

Dann folgt die Aufforderung, «Aaron Berith Jahwe» von Silo zu holen (V. 3b). Steht in V. 3a der Gott JHWH uneingeschränkt da als der eine Gott Israels, ist in V. 3b von «Aaron Berith Jahwe» die Rede. Das irritiert nach «Spruch Samuels» (V. 1a) zum zweiten Mal: In V. 3b geht es nicht um Jahwe allein, sondern um Jahwe mit einem Attribut, nämlich mit «Aaron Berith». Dabei wechselt das Subjekt von Jahwe auf Aaron. Es gibt noch eine weitere Schwierigkeit: Aaron als «Lade» verstanden wird im Deutschen immer mit Artikel geschrieben, also «die Lade». Doch im Hebräischen hat Aaron meistens keinen Artikel. Das heisst Aaron kann ein Name sein. Doch im Hebräischen hat Aaron meistens keinen Artikel, Aaron ist ein Name. In der Vorlage ist also der Name einer Gottheit erwähnt, die nicht mit Jahwe identisch ist. Und von dieser Gottheit übernimmt der Autor auch den Titel (V. 4a) für Jahwe.

Nicht nur Aaron steht ohne Artikel da sondern auch Berith «Bund». Ist Berith ein Name? Der Titel einer fremden Gottheit? Ein Hinweis findet sich in I. Samuel 7,1: Die Männer von Kirjat-Jearim brachten die Bundeslade in ihre Stadt. Es ist eine Stadt der Hiwiter bzw. Gibeoniter an der Grenze von Juda (16). Dort blieb «die Lade Jahwes» 20 Jahre. David holte dann die Lade von dort nach Jerusalem. Doch jetzt heisst der Ort nicht mehr Kirjat Jearim sondern «Baale-Jehuda» (II. Sam. 6,2) oder parallel in I. Chr. 13,6 «Baalath in Jehuda». Eigentlich ist dies kein Ortsname sondern eine Gottesbezeichnung, die hier eng mit Aaron ha-Elohim verknüpft ist. Ursprünglich dürfte es demnach «Aaron ha-Elohim, Baalath Jehuda»/«Aaron, Herrin in Jehuda» geheissen haben. Denn Bauer-Leander schreiben, dass «Baalath» auf Akkadisch und Hebräischen im Sinne von «Göttin» vorkommt (17). Offenbar hatte der alttestamentliche Redaktor, der eher aramäisch sprach, dies nicht mehr verstanden oder nicht verstehen wollen.

Erasmus Gass übersetzt Kirjath-Jearim als «Stadt der Wälder» oder als «Stadt der hölzernen Kultstatue», die er mit Aschera in Verbindung bringt und weist darauf hin, dass diese am besten zu Kirjat-Baala «Stadt der Herrin» (II. Sam. 6,2) passen würde (18). - Doch schauen wir uns die beiden Stellen I. Samuel 7,1 und II. Samuel 6,2 genauer an:

I. Samuel 7,1:
Und die Männer von Kirjat-Jearim kamen, holten die Lade des HERRN (AARON JHWH) herauf und brachten sie in das Haus des Abinadab auf dem Hügel, und sie weihten Elasar, seinen Sohn, damit er die Lade des HERRN (AARON JHWH) bewache.

II. Samuel 6,1-2
Und David sammelte abermals die ganze junge Mannschaft in Israel, dreißigtausend Mann, und machte sich auf und zog mit dem ganzen Volk, das bei ihm war, nach Baale-Jehuda, um die Lade Gottes von dort heraufzuholen; diese ist genannt nach dem Namen des HERRN Zebaoth, der über den Cherubim thront. (Luther/Zürcher Bibel)

In beiden Text ist nicht von Aschera die Rede sondern von Aaron Jhwh. Ebenso steht hier nicht «Stadt der Herrin» sondern «Herrin von Jehuda». Und wer soll diese Herrin sein? Da der alttestamentliche Redaktor ausdrücklich die vorkönigliche Zeit im Blick hat, geht es hier um Aaron/Arinna, Herrin von Jehuda.

Weiter wird in II. Samuel 6,2 Aaron ha-Elohim umständlich mit dem Namen «Jahwe Zebaoth, der über den Kerube thront» benannt.

אֵ֚ת אֲרֹ֣ון הָאֱלֹהִ֔ים אֲשֶׁר־נִקְרָ֣א שֵׁ֗ם שֵׁ֣ם יְהוָ֧ה צְבָאֹ֛ות יֹשֵׁ֥ב הַכְּרֻבִ֖ים עָלָֽיו

Zürcher Bibel übersetzt:
Und David machte sich auf, und mit allem Volk, das bei ihm war, ging er von Baale-Jehuda, um von dort die Lade Gottes heraufzubringen, über der der Name ausgerufen war, der Name des HERRN der Heerscharen, der über den Kerubim thront.
Luther Bibel übersetzt:
und machte sich auf und zog mit dem ganzen Volk, das bei ihm war, nach Baala in Juda, um die Lade Gottes von dort heraufzuholen; diese ist genannt nach dem Namen des HERRN Zebaoth, der über den Cherubim thront.

Oder «Hoffnung für Alle» übersetzt:

Gemeinsam mit ihnen zog er nach Baala - gemeint ist Kirjat-Jearim - im Stammesgebiet von Juda, um die Bundeslade von dort nach Jerusalem zu bringen. Sie war dem HERRN geweiht, dem allmächtigen Gott, der über den Keruben thront. (II. Sam. 6,2)

Das ist eine freie Interpretation des hebräischen Textes. Denn «dem Herrn geweiht» und «allmächtiger Gott» steht nicht im hebräischen Text. Und «Aaron ha-Elohim» ist identisch mit JHWH. Auch gehört die Bezeichnung «JHWH der Herrscharen, der über den Keruben thront» in II. Samuel 6,2 eindeutig zu «Aaron ha-Elohim, Baala Jehuda». Diese Verbindung kommt noch deutlicher in I. Chronik 13,6 zum Ausdruck:

Die Lade Gottes: Jahwe der … אֵת֩ אֲרֹ֨ון הָאֱלֹהִ֧ים׀ יְהוָ֛ה יֹושֵׁ֥ב הַכְּרוּבִ֖ים אֲשֶׁר־נִקְרָ֥א שֵֽׁם

Zürcher Bibel übersetzt:
Und David zog mit ganz Israel hinauf nach Baala, nach Kirjat-Jearim, das zu Juda gehört, um von dort die Lade Gottes des HERRN, der über den Kerubim thront, heraufzuholen, die Lade, über der der Name ausgerufen war.
Luther Bibel übersetzt:
Und David zog hin mit ganz Israel nach Baala, das ist Kirjat-Jearim, das in Juda liegt, um von da heraufzubringen die Lade Gottes, des HERRN, der über den Cherubim thront, wo sein Name angerufen wird.
Arinna über den Flügeln

«Mesopotamien» aus «flickriver» in pinterest.ch gefunden, keine Datierung

Sowohl die Zürcher Bibel als auch die Luther Bibel übersetzen «die Lade Gottes des Herrn/Jhwh». Jedoch wird im hebräischen Text der Satz nach «Aaron ha-Elohim» mit einem senkrechten Strich unterbrochen, und es geht mit JHWH weiter. Dieser senkrechte Strich dürfte eine Korrektur eines Masoreten sein (19). Deshalb gehe ich davon aus, dass hier hier zwei Namen genannt sind: «Aaron ha-elohim» und Jhwh, beide im Nominativ.

Fravahar-Relief in Persepolis, aus wikimedia.org Faravahar-Relief in Persepolis, aus wikimedia.org

Aber wie kommt es zum Titel in I. Samuel 4,4? Im Jahr 539 v. Chr. eroberte der persische König Kyros Babylon und erlaubte den Juden die Rückkehr nach Palästina. Dabei lässt sich bei den Rückkehrern ein bedeutender Einfluss der persischen Religion nachweisen. Dazu gehört wohl auch der Titel «Jahwe der Heerscharen thront über den Cherubim», der auf das Faravahar-Symbol zurückgehen dürfte. - Deshalb scheint I Samuel 4 eine Situation des Aufbaus des Jerusalemer Tempels widerzuspiegeln.

b) Die Erde bebt

Nach I. Samuel 4,5 wird der Ruf nach der Bundeslade von Silo befolgt und die Priester Hophni und Pineḫas bringen sie ins Lager. Bei ihrer Ankunft brachen die Israeliten in großen Jubel aus, so dass die Erde (ha-Aräz) bebte. - Das wirft die Frage auf: Wie passt die bebende Erde zu einem Wettergott, wie es Jahwe sein soll? - Zu einem Wettergott passen doch Blitz und Donner besser und vor allem viel Regen, der die Philister wegspült (vgl. Ri. 5,4) Warum also bebt hier die Erde (ha-Aräz/ארץ-ה)? Denn ihre Reaktion ist die Antwort auf den Jubel über die Ankunf der Bundeslade, die Antwor der Mutter Erde. Das heisst, Aaron ha-Elohim verkörpert die Mutter Erde. Es ist also ihre Erwähnung, die der Redaktor in seiner Vorlage vorfand.

c) Hebräer

Offenbar kannten die Philister die Hebräer genau, denn nach I. Samuel 14,21 kämpften Hebräer-Gruppen aus Ephraim mit ihnen. Aber die Philister kannten sie nicht als «Israeliten» sondern als «Hebräer» und stellen fest, dass die Götter Aaron Jhwh ins Lager gekommen sind. Dabei erwähnen sie das Beben der Erde mit keinem Wort. Das kann man so interpretieren, dass «die Erde bebt» ein liturgisches Element war und für die Philistern zum jubelnden Lärm im feindlichen Lager gehörte.

«Hebräer», akkadisch ʿApiru, ägyptisch ʿpr(w) (20) sind Vertriebenew/m (20). Anatolische Schriften erwähnten bereits anfangs des 2. Jahrtausend v. Chr. solche Apirus (21). Es sind Flüchtlingew/m aus kriegs- und krisengeschüttelten Gebieten, Opferw/m mächtiger Könige, die ihre Größe und Macht durch Eroberung und Niederwerfung definierten (22). Unsere Historiker bewundern solche Könige. Die Geflüchtetenw/m sind die Leidtragenden. Sie zahlten den Preis für die Eskapaden der Könige, werden aber in unseren Geschichtsbüchern kaum erwähnt. Für unsere Historiker ist nur der "heroische" König wichtig. Denn mit ihm können sich unsere Gelehrten so gut identifizieren - und je mächtiger Könige wüteten, desto größer und genialer werden sie heute angesehen. Das Elend der betroffenen Bevölkerung wird verschwiegen.

Unter die Hapirus fallen auch die Flüchtlingew/m, die im 13. und 12. Jahrhundert v. Chr. vor der Klimakatastrophe flohen. Denn um 1250 v. Chr. änderte sich das Klima dramatisch: eisige Kälte und Dürre machten den Menschen im Mittelmeerraum und in Anatolien zu schaffen (23). In Palästina dauerte sie bis bis 1100 v. Chr. Flüchtlingsströme (24) kamen von Griechenland und Kleinasien Richtung Ägypten, wo es am ehesten zu essen gab, weil der Nil das Wasser aus Afrika bezog und nicht vom vereisten Norden. Während die einen auf der Route plünderten und Orte zerstörten, kamen andere friedlich entlang der levantinischen Küste. So weist Eric H. Cline (25) darauf hin, dass im 12. Jahrhundert neben kriegerischen Gruppen meist friedliche Flüchtlinge nach Kanaan kamen und sich mit den Einheimischen vermischten. - Auch die in I. Samuel 4,6 genannten Hebräer gehen wohl auf eine solche Hapiruw/m-Gruppe zurück, die in und um Silo ansässig wurde, sich mit Einheimischen vermischte und dem Kult von Silo anschloss.

d) AARON JHWH (26)

Die Philister stellen fest, dass AARON JHWH ins feindliche Lager gekommen ist (V. 6).

Nach V. 5 handelt es sich hier eine Erd- und Muttergöttin und deshalb dürfte der Name in der Vorlage anders gelautet haben, etwa «ARN HWWH» oder «ARN HWJA» (27) oder «Arinna Ḫepat» (28), die «Baale Jehuda/Herrin von Juda» (II. Sam. 6,2). Das sind zwei Göttinnen, was die Philister auch ausdrücklich bestätigen (V 8). Denn sie fragen:

Wehe uns! Wer will uns erretten aus der Hand dieser mächtigen Götter? (V. 8; Luther Bibel)

Dies wird in unseren Bibeln unterschiedlich übersetzt:

Zürcher Bibel, 2007:
Wehe uns! Wer wird uns aus der Hand dieses mächtigen Gottes retten? Das ist der Gott, der Ägypten geschlagen hat mit allen möglichen Plagen in der Wüste (V. 8).
Luther Bibel, 2017:
Wehe uns! Wer will uns erretten aus der Hand dieser mächtigen Götter? Das sind die Götter, die Ägypten schlugen mit allerlei Plage in der Wüste. (V. 8)

Während die Zürcher Bibel vom einzigen Gott Jahwe ausgeht, übernimmt die Luther-Bibel wörtlich «dieser mächtigen Götter».

Suchen wir eine Kombination von ARN HWJH in der Zeit, als israelitische Hapiru-Gruppen nach Palästina kamen, so finden wir ein Gebet der hethitischen Grosskönigin Puduḫepa (13. Jh. v. Chr.):

1. [A]n die Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin,
Herrin der Länder von Ḫatti, Königin über Himmel und Erde:
2. Du, Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, (bist) Königin über alle Länder.
3. Du gab[st] dir im Lande Ḫatti den Namen 'Sonnengöttin von Arinna'.
4. Welches Land du ferner zum (Land) der Zeder machtest,
5. (dort) gabst du dir den Namen 'Ḫepat' .
6. ICH aber, Puduḫepa, (bin) [d]eine langjährige Dienerin,
7. ein Kälbchenw deines Rinderstalls bin ich,
8. ein [S]teinw aber deines Fundaments bin ich.
9. Du, meine Herrin, nahmst mich auf (CTH 384.1) (29).

«Kalb», «Stein im Fundament» sind Motive, die wir ja auch aus dem Alten Testament kennen.

Zu diesem Gebet schreibt Wikipedia:

Piotr Taracha however doubts if this theological development was adopted into everyday religious practices of the general Hittite population.

Ja, natürlich! In unserer objektiven Wissenschaft sind nur Männer und männliche Götter wert, überliefert zu werden. Denn unsere Wissenschaft ist eine Art westlicher Fundamentalismus mit alten Stammestraditionen. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass am 10.11.1259 v. Chr. das hethitische Königspaar einen Friedensvertrag mit Pharao Ramses II. abschloss. Im Text ist von vielen Flüchtlingen die Rede; zahlreiche Fürsten und ganze Städte flohen nach Ägypten. – Nur Männer? Unter den Flüchtlingen gab es sicher auch Frauen, Fürstinnen und Priesterinnen, die ihre religiösen Vorstellungen ins ägyptische Palästina brachten: Arinna-Hepat. Diese zwei Göttinnen gehörten seit den Ursprüngen Israels dazu, wurden aber von den alttestamentlichen Theologen verdrängt, in unserer patriarchalen Wissenschaft dauert der Prozess immer noch an.

e) Ḫepat

Deshalb fällt unseren Theologen auch die Ähnlichkeit von JHWH/JHWH und HWWH/HWJH nicht auf (30). Alttestamentliche Redaktoren tauschten doch einfach die Konsonanten von ḪWWH/ḪWJH zu JHWH. Dazu hat Martin Rose (31) festgestellt, dass der Name JHWH vor der Reform des Königs Josia (7. Jh. v. Chr.) nicht nachweisbar ist. Dagegen wurde Ḫepat/Hawwah seit Jahrtausenden in Syrien und Südanatolien verehrt und mit verschiedenen Göttinnen verschmolzen (32).

Yazilikaya, Hepat

Hepat, Hauptgöttin in Yazzilikaya

Um die Dimension dieser Göttin im Alten Orient zu verstehen, folgen wir Volkert Haas, wie er die Göttin Ḫebat/Ḫepat in «Geschichte der hethitischen Religion» darstellt:

  • Mit ihren Töchtern Allanzu, dem «Mädchen der Hebat» und Kunzisalli sowie mit der nicht näher spezifizierten Gottheit Hasulathi bildet sie jeweils eine Dyade (S. 387).
  • In der ältesten Form ist sie im Pantheon von Ebla als Dḫa-a-ba-du belegt. In den Hieroglyphen des 1. Jahrtausend als Dḫa-pa-tu, Dḫe-ba-tu und Dḫi-pa-tu. In lykischen Inschriften begegnet Heba(t) als ḫba-eni «Mutter Ḫeba» (S. 383f.).
  • Seit dem 2. Jahrtausend ist Heba auch als Hebath belegt, das -t gilt als semitische Femininendung, semitisch ist auch *Hawwat (S. 384).
  • Der Name dürfte auf die syrische Stadt Halab (Aleppo) zurückgehen (S. 384).
  • Ḫattušili I. (17./16. Jh. v. Chr.) raubte eine Statue der Ḫebat in Ḫaššu(wa) in Nordsyrien und übergab sie dem Tempel der Mezzulla (S. 384), der Tochter der Sonnengöttin von Arinna.
  • In den Schwurgötterlisten der Staatsverträge Suppiluliumas I. ist sie als «Königin des Himmels», «Hebat von Halab, Hebat von Uda und Hebat von Kizzuwatna» aufgeführt (S. 385).
  • Im Felsentempel Yazilikaya führt Hebat die Reihe der Göttinnen an (S. 386).
  • Ḫebat ist die «thronende Heerin in den Ländern» und als solche auf den hethitischen Felsreliefs von Fraktin mit Dḫi bezeichnet (12. Jh. v. Chr.) (S. 388).
  • Die Epitheta «Herrin des Himmels», «Königin» und «Königin des Himmels» charakterisieren sie als höchste Göttin des Kosmos (S. 388).
  • Als «Hebat (der) Könige» bzw. «Hebat König» ist sie die Bewahrerin des Königtums und der gesellschaftlichen Ordnung. Die hurritischen Epitheta Ḫebat endasse «Hebat (der) Priesterinnenschaft» und «Hebat der Herrinnenschaft» weisen sie zudem als oberste Instanz der Priesterinnen- und des Königinnentums aus (S. 388f.).

Zur Ḫepat macht Volkert Haas in «Hethitische Berggötter» eine interessante Feststellung. Er schreibt, dass sie mit dem Berggott und dem Stier jeweils ein «enges Paar» bildete. Zu diesen Beziehungen wurden im Libanon Opferlisten gefunden, die der Autor wie folgt kommentiert:

Sie ist aber auch die Herrin der beiden, wohl in der Gegend des Libanon gelegenen Berge Agurili und Kallistabi, die in Opferlisten für Teššub und Ḫebat nicht dem Gotte, sondern der Göttin zugeordnet sind (S. 30).

Aus dem 14. Jh. v. Chr. ist uns ein Fürst von Jerusalem mit dem Namen Abdi-Ḫepa überliefert.

Im 1. Jahrtausend v. Chr. wurde die alte hurritische Göttin Ḫepa(t) mit der phönizischen Schlangengöttin חות (aramäisch חויה) gleichgesetzt (33). Das heisst im 13. Jahrhundert v. Chr. bilden Ḫepa(t) mit der hethitischen Sonnengöttin Arinna eine Einheit, im 1. Jahrtausend Ḫepa(t) mit der phönizischen Schlangengöttin חויה (ḪWJH/ ḪWJA, deutsch: «Eva, Mutter alles Lebenden»). Othmar Keel schreibt zu Ḫawwa/ Ḫepa:

In Genesis 3,20 wird von Eva aber gesagt, dass sie die «Mutter alles Lebendigen» sei. Das ist mehr, als eine menschliche Frau leiten kann. Der Name Hawwah (hebräisch chawwa) ist ursprünglich wahrscheinlich der Name einer altorientalischen Göttin (cheba). Nur eine Göttin vom Typ «Mutter Erde» kann «Mutter alles Lebendigen» sein (34).

Beter, sumerische Religion

«sumerische» Religion» in Wikiwand

Nach Claus Westermann gehört I. Mose 3,20 nicht zur vorangehenden «Sündefallgeschichte» sondern stammt aus einem anderen Zusammenhang. Beim Satz «Und Adam nannte seine Frau Eva, denn sie wurde die Mutter allen Lebens» (1. Mose 3,20)» gehe ich davon aus, dass es hier ursprünglich um die Anrede eines Beters zu seiner Göttin geht, die im jetzigen Text (I. Mose 3,20) einer irdischen Frau angehängt wurde, um klar zu machen: Es gibt keine Göttin, nur die Frau, die in Schmerzen gebiert, über die der Mann herrscht (1. Mose 3,15). Dabei wird die Göttin konkretistisch auf die irdische Ebene versetzt und damit ihrer Göttlichkeit beraubt.

Hawwa und «Mutter alles Lebenden» gehören auch zur Schöpfungsgeschichte in I. Mose 1. Da macht zwar Jahwe als «Ewiger Macher» die Welt. Doch seine Tätigkeit wird in V. 24 durch eine ältere Vorstellung unterbrochen:

Die Erde bringe Lebewesen hervor nach ihren Arten: Vieh, Kriechtiere und Wildtiere, je nach ihren Arten. (I. Mose 1,24) (35).

Die Entwicklung von HWWH zu JHWH stelle ich mir wie folgt vor: Der Ausruf Jah-/Jahu- war in Palästina bekannt im Sinne: «die Gottheit ist da». Im Zusammenhang mit der Muttergottheit ARN fanden alttestamentliche Autoren in ihren Unterlagen den Begriff «Kašbaru-Jah»/«die Leuchtende», den sie als assyrisch Wort auffassten und hebräisch mit «Kaboth Jah(u)» übersetzten. In ihren Vorlagen stiessen sie aber auch auf ARN-HWJH (I. Sam. 4,6). Diese Namen gaben sie mit Aaron Jhwh wider, und interpretierten sie als Lade Jahwes.

f) die Plagen in der Wüste

Die Philister sagten auch:

אֵ֧לֶּה הֵ֣ם הָאֱלֹהִ֗ים הַמַּכִּ֧ים אֶת־מִצְרַ֛יִם בְּכָל־מַכָּ֖ה בַּמִּדְבָּֽר׃

Das sind die Götter, die Ägypten schlugen mit allerlei Plagen in der Wüste (V. 8)

Nicht nur der alttestamentlichen Redaktor wusste, sondern wir alle wissen es: Jahwe hat die Ägypter in Ägypten mit Plagen geschlagen. «Steppe, Wüste» מדבר dürfte in der Vorlage gestanden haben. Mit מדבר ist ödes Weideland (36) gemeint irgendwo im ägyptischen Reich, deren Grenze im 13. Jahrhundert bis Damaskus reichte. Die Philister dürften die Situation der Klimakatastrophe gemeint haben, die in Palästina von 1250 bis 1100 v. Chr. gedauert hatte. Zu dieser Zeit war der fruchtbare Halbmond Ödland.

Die Philister erwähnen Plagen! Handelt es sich da um Seuchen, die immer wieder einmal aufflackern oder um eine grosse Katastrophe, die sich im Gedächtnis eingeprägte und in Schriften festgehalten wurde? In II. Samuel 24 ist von einer Seuche die Rede, die David die Königswürde brachte. Heute geht man davon aus, dass hier von einem früheren Fürsten erzählt wird. Dieser hiess Araunah! Die Nähe zu Aaron ist auffällig. Deshalb nehme ich an, dass es sich um einen hethitischen Fürsten handelte, der der obersten Staatsgöttin, der Sonnengöttin von Arinna verpflichtet war? - Ende des 14. Jh. v. Chr. überfielen hethitische Kampftruppen die ägyptische Amka-Ebene. Diese war aber von der Beulenpest verseucht. Einige Hethiter dürften die Gefahr realisiert haben und desertiert sein. Darunter war wohl ein kampferprobte Anführer, der von den Ägyptern zum Fürsten von Jerusalem eingesetzt wurde. - Hunderte Jahre später entwarfen alttestamentliche Theologen aus solchen Erinnerungen die Erzählung von Plagen, die der mächtige Gott Jahwe den Ägyptern bereitet hatte.

6.1.3. Der Name Israel

Der Name 'Israel' wird zum ersten Mal auf der Merenptah-Stele (1208 v. Chr.) erwähnt: Der größte Teil der Inschrift handelt von Merneptahs Sieg über die Libyer, aber die letzten 3 der 28 Zeilen beziehen sich auf Kanaan. Sie lautet unter anderem:

Askalon (Jsq3rny) ist herbeigeführt.
Gezer (Q3ḏ3r) ist gepackt.
Jenoam (Ynwˁm3m) ist zunichtegemacht.
Israel (Jsrjr). ist verwüstet, seine Saat ist nicht mehr.
Chor (Ḫ3rw) ist zur Witwe (ḫ3rt) von Ta-meri (das Geliebte Land, d. h. Ägypten) geworden.
Alle Länder sind insgesamt in Frieden.
(Auszüge aus dem Text der Merenptah-Stele) (37)

«Israel» ist hier als fremde Völkergruppe aufgezählt. Die Bedeutung des Namens Israel ist unbekannt. Normalerweise wird er aufgeteilt in Isra- von der Wurzel שרה «herrschen, streiten, Macht haben, siegen» und El «Gott», also als «Gott möge herrschen»/«Gott streitet» übersetzt (38). Da aber Israel bei Schriftpropheten meistens als Ehefrau Jahwes gedeutet wurde, wäre eine Kombination mit «Sarah» eigentlich angebrachter. Sarah kommt in der Bibel als Frau des Abrahams vor. In I. Mose 12 bringt sie ihm Heil und Wohlstand, Ägypten aber Unheil und Tod (I Mose 12) – das dürfte doch eher zu einer Göttin passen! Eine weitere Deutung stammt von Graves-Ranke. Er meint, Israel heisse «Mann der Raḫel» (רחל איש) (39) . - Raḫel bedeutet «Mutterschaf». Und über sie steht in wikipedia:

Noth vermutet, dass die Kinder Rachels durch ihren Namen als Schafzüchter gekennzeichnet werden sollen (40).

Raḫel gilt als Stammmutter der Stämme Ephraim, Manasse und Benjamin. Das sind genau die Gebiete, in denen sich die Kultorte von «Aaron Berith Jahwe» oder Arn/Arinna Ḫepat Baalat befanden: in Ephraim Silo und Bethel, in Manasse Sichem und in Benjamin Jerusalem.

Der Prophet Ezechiel erinnert sich an die Herkunft der Israeliter:

So spricht Gott der HERR zu Jerusalem: Deiner Herkunft und Geburt nach stammst du aus dem Lande der Kanaanäer: dein Vater war ein Amoriter und deine Mutter eine Hethiterin. Und was deine Geburt betrifft, so wurde dir an dem Tage, als du zur Welt kamst, weder die Nabelschnur abgeschnitten, noch wurdest du in einem Wasserbade rein gewaschen, noch mit Salz eingerieben und nicht in Windeln gewickelt; kein Auge blickte mitleidig auf dich hin, um dir irgendeinen derartigen Liebesdienst zu erweisen und sich deiner zu erbarmen; sondern du wurdest aufs freie Feld hingeworfen: so wenig machte man sich aus deinem Leben am Tage deiner Geburt (Ez. 16,4-5).

Was er hier beschreibt, dürfte das Elend der Migranten im 13. und 12. Jh. v. Chr. widergeben, als die Schwachen und Schwächsten auf den Wegen zurückgelassen und gestorben sind. Doch nach Ezechiel hat sich Jahwe im Fall der Hethiterin «erbarmt» – also zu einer Zeit, als es noch gar keinen Jahwe - mit seinen pathologisch sexuellen Problemen - gab (41), dafür eine Himmelsgöttin Hepath/hebräisch HWJH:

Da kam ich an dir vorüber und sah dich in deinem Blut zappeln und sagte zu dir, als du in deinem Blut dalagst: Du sollst leben! Ja, ich sagte zu dir in deinem Blut: Bleibe leben und wachse heran wie die Grashalme auf der Flur! (Ez. 16,6-7).

Dieses Vorübergehen passt zu einer Sonnengottheit, in der vorköniglichen Zeit die Sonnengöttin von Arinna, die mit Ḫepat «Königin des Himmels» gleichgesetzt wurde – und kein männlicher Gott Jahwe, der erst in der Königszeit eine Rolle spielte.

Uruk Vase

Sumerische Uruk-Vase zuoberst mit der Göttin Inanna und zwei Priesterinnen.
Darunter nackte Männer, die Opfergaben bringen,
darunter Schaf- und Ziegenherden, aus «ResearchGate» (42)

Das von Ezechiel beschriebene Elend passt am ehesten zu Flüchtlinge, die Ende der Bronzezeit vor Kälte und Hunger nach Ägypten flohen. Da ist die Frage, wie haben sie gelebt? – wie haben sie überlebt? Wie haben sie sich ernährt, wie gekleidet? Da gab es ja nichts ausser Gras. Die Leute selber hatten wohl auch nicht viel, vielleicht einen Karren, gezogen von einem oder zwei Ochsen. Vielleicht gab es auch ein Esel als Tragtier, um Geschwächte, Kleinkinder und die wenigen Habseligkeiten zu transportieren. Um in einer solchen Situation zu überleben, bleiben nur Schafe und Ziegen. Und dieses Kleinvieh dürfte es überall gegeben haben. Denn nehmen wir als Beispiel die Hethiter: Da wurden an einer Kultfeier mehrere Hundert Schafe geopfert – einige Autoren reden gar von Tausend Schlachtopfer pro Fest. – D.h. da waren riesige Herden vorhanden, vor allem männliche Tiere, die nach ihrem 2. Lebensjahr geschlachtet wurden (43). Als es im Hethiterreich zu Aufständen kam, dürften ganze Schafherden das Weite gesucht haben. Sie wurden von Fliehenden eingesammelt und mitgenommen. Das Kleinvieh gab Fleisch, Milch (44) und Wolle, die Frauen zu Garn und Kleider verarbeiteten, sei es unterwegs oder an Aufenthaltsorten, wo die Leute etwas länger blieben. – Diese hypothetisch anmutende Annahme – aber dann bleibt die Frage offen: wie die Leute Kälte und Hunger überlebt haben - legt es nahe, dass sich Menschengruppen der Göttin der Schafe nahe fühlten, die Göttin als ihre himmlische Mutter betrachteten und sie entsprechend «Isch-Raḫel, «Raḫel ist da» (45) nannten. Und da Raḫel die Stammmutter der Stämme Ephraim, Manasse und Benjamin ist, Gebiete, in denen im 13./12. Jahrhundert v. Chr. die Göttin AARON JHWH verehrt wurde, liegt es nahe, Raḫel mit AARON HWJH BAALATH zu identifizieren (46).

Den alttestamentlichen Redaktoren war klar, dass Israel eigentlich eine Göttin war. So heisst es in I. Mose 35,10f.:

Gott sprach zu ihm: Dein Name ist Jakob. Aber du sollst nicht mehr Jakob heissen, sondern Israel soll dein Name sein. Und er nannte ihn Israel. Und Gott sprach zu ihm: Ich bin El-Schaddai. Sei fruchtbar und mehre dich. Ein Volk, ja eine Grosszahl von Völkern soll von dir abstammen, und Könige sollen aus deinen Lenden hervorgehen.

«El Schaddaj» bedeutet «Gott der Mutterbrüste». Auch passt der Satz «sei fruchtbar und mehre dich» zu einer Göttin. Der Satz «Könige sollen aus deinen Lenden hervorgehen» schildert einen Geburtsvorgang.

Interessant ist die Erzählung vom Kampf Jakobs mit «jemandem» (I. Mose 32). Da bringt Jakob zuerst seine vier Frauen, seine Kinder und sein Hab und Gut über den Jabbok-Fluss und bleibt über die Nacht zurück:

Da rang einerw/m (אִישׁ֙) mit ihm, bis die Morgenröte anbrach.
Und als er sah, dass er ihn nicht übermochte, rührte er an das Gelenk seiner Hüfte,
וַיִּוָּתֵ֥ר יַעֲקֹ֖ב לְבַדֹּ֑ו וַיֵּאָבֵ֥ק אִישׁ֙ עִמֹּ֔ו עַ֖ד עֲלֹ֥ות הַשָּֽׁחַר׃
und das Gelenk der Hüfte Jakobs wurde über dem Ringen mit ihm verrenkt. (I. Mose 32,26, Luther Bibel, וַיִּגַּ֖ע בְּכַף־יְרֵכֹ֑ו)

Darauf sucht Jakob den Namen der Unbekannten in Erfahrung zu bringen. Doch sie gab ihm den Namen Israel:

Du sollst nicht mehr Jakob heissen, sondern Israel; denn du hast mit Gott und mit Menschen gekämpft und hast gewonnen (V. 29).

In den englischen Bibeln wird der Satz כִּֽי־שָׂרִ֧יתָ עִם־אֱלֹהִ֛ים וְעִם־אֲנָשִׁ֖ים וַתּוּכָֽל nicht mit «mit Gott und mit Menschen kämpfen» übersetzt sondern:

Thy name shall be called no more Jacob, but Israel: for as a prince hast thou power with God and with men, and hast prevailed (I Mose 32:28 King James Bibel)
«als Prinz hast du Macht bei Gott und bei den Menschen und hast dich durchgesetzt».

Jakob nannte den Ort seiner Begegnung Pnuël:

Denn ich habe Gott von Angesicht gesehen, und doch wurde mein Leben gerettet. (I. Mose 32,31, Luther Bibel).

Doch eigentlich geht es hier nicht nur um das göttliche Angesicht sondern um das Glied der Hüften. Denn V. 33 übersetzt die Luther Bibel:

Rembrandt Jakob ringt mit dem Engel

Rembrandt, «Jakob ringt mit dem Engel», ca. 1659 (aus wikimedia)

Daher essen die Israeliten nicht das Muskelstück (גִּ֣יד) auf dem Gelenk der Hüfte bis auf den heutigen Tag, weil er den Muskel am Gelenk der Hüfte Jakobs angerührt hatte. (V. 33, Luther Bibel)

Da es in I. Mose 32 betont um das Gelenk der Hüfte geht, ist hier von einem Geschlechtsverkehr zwischen El-Schaddaj und Jakob die Rede. Der «jemand» ist in dem Fall eine Göttin.

6.1.4. Die Philister

Das hethitische Grosskönigspaar Ḫattušili III.-Puduḫepa schloss im Jahr 1259 v. Chr. mit dem ägyptischen Pharao Ramses II den ersten völkerrechtlichen Vertrag. Von da an gab es keinen grossen Feind mehr, die Armeen wurden verkleinert, die Söldner entlassen. Die immer wieder auftretende Kälteeperioden und Erdbeben brachten die Grossreiche an den Rand des Ruins, Solde konnten nicht mehr bezahlt werden, sodass ganze Truppen davonliefen und sich gegen die Armeen organisierten. Die entlassenen Heere schlossen sich zu Verbänden zusammen und kamen auf Schiffen vom Meer her und überflielen und plünderten die reichen Städte entlang der Mittelmeerküste. Sie hatten Stützpunkte in Kreta (47) oder ein Hauptlager in Libanon. – Dass es sich um Söldner aus den grossen Armeen handeln dürften, zeigen ihre Ausrüstung: Leichte Lederbekleidung, Speere und Dolche. Die Krieger trugen geschmückte Helme, die wohl eher als Identitätszeichen dienten und weniger zum Schutz. Begegneten sie feindlichen Streitwagen, trafen sie mit ihren Lanzen das Pferd, der Wagen kippte um, und die Fahrer in ihren schwereren Rüstungen mussten sich ihnen im Zweikampf stellen und waren entsprechend unterlegen (48). Zur grossen Seeschlacht kam es unter Ramses III. (1221-1156 v. Chr.). In der Seeschlacht besiegte er die Seevölker und stationierte sie dann entlang der Mittelmeerküste, um die Handelsrouten zwischen Ägypten und Syrien zu sichern.

Doch dass Angehörige der Seevölker nun die wichtigsten Handelsrouten zwischen Ägypten und Syrien im Interesse der Ägypter bewachten, weist darauf hin, dass man die feindlichen Krieger kannte, ihre militärische Erfahrungen schätzte und auf ihre Loyalität vertraute. Auch ist umstritten, ob es die Seeschlacht im Nildelta in der Dimension, wie sie in Medinet Habu dargestellt wurde (50), überhaupt gegeben hatte, oder ob es sich eher Propaganda von Ramses III. handelte.

Warum aber sollen die Ägypter ihre Feinde gekannt haben? Es war ägyptische Tradition, Kinder besiegter Fürsten nach Ägypten an den Hof zu nehmen, um ihnen hier eine ägypterfreundliche Erziehung zu gewähren. Erwachsen gewordene Geissel wurden wieder in ihr Land geschickt, damit sie im Interesse Ägyptens regierten (49). Auch gab es einen Austausch junger Adliger an den königlichen Höfen, ägyptische Prinzen kamen nach Ḫattuša oder auf die Inseln der Ägäis und umgekehrt (50). Daraus kann man folgern, dass wichtige Anführer der Seevölker, die aus den grossen Handelszentren von Kreta und Zypern stammten, in Ägypten erzogen wurden. Und von daher ist es verstehbar, weshalb Pharao Ramses III. Philisterfürsten entlang der wichtigen Handelsrouten Ägypten-Syrien stationieren liess (51), um die Gegend vor Überfällen zu schützen: er kannte den Werdegang ihrer Anführer, und mit Verträgen und Zusicherungen konnten sich die beiden Parteien einigen.

Das Ursprungsland der Philister gilt häufig Kreta. Eine enge Beziehung zwischen Kreta und Ägypten ist dokumentiert, etwa im Text aus Ugarit. Dort wird das altägyptische Memphis als „Erbland von Kreta“ erwähnt, verbunden mit einer geografischen Lagebeschreibung von Kreta (Kaphtor):

«[Tr]age [meine Botschaft in] deinem Kopf, [meine Worte] 'zwischen deinen Augen’, [Und überquere] tausend [Längen im] Meer zehntausend [Län]gen in den beiden Strömen (= poetisch für ‚Meer‘). [Setze über] Berge, setze über Hügel, setze über die Inseln am Horizont des Himmels (iht mp šmm). Fahre dahin, oh Fischer der Aṯirat, komme an, oh Qidšu-Amrur (=der Botengott der Aṯirat)! Dann wende dich doch nach dem göttlichen Memphis (ḥ{q}kpt) in seiner Gesamtheit, nach Kaphtor (kptr), seinem Thronsitz, nach Memphis (ḥkpt), seinem Erbland! Über tausend Längen, zehntausend Längen hin – zu den Füßen des Koṯar verneige dich (dann) und fall nieder, wirf dich zu Boden und ehre ihn! Und sprich zu Koṯar-Ḫasis, wiederhole dem Künstler mit den werkenden Händen: ‘Eine Botschaft meiner Herri[n Dame Aṯiratu:]’“ ( KTU 1.3 VI 1–24) (52).

Trude und Moshe Dothan kommen aufgrund ihren Ausgrabungen zum Ergebnis, dass die Philister aus dem ägäischen Raum stammten:

Philister, wo immer sie herkamen, eine homogene Gruppe waren sie nicht. Ihre Kultur und sogar ihre Körperbeschaffenheit liess auf eine erstaunliche Mischung von Einflüssen schliessen, die plötzlich in Kanaan in der Frühphase der Eisenzeit zusammengekommen waren (53).

Auf ihren Wanderungen hatten sie andersstämmige Leute mitgenommen. Bei Ausgrabungen in Azor etwa wurde kein einziger mediterraner Schädel gefunden. Von den fünf im Buch besprochenen Schädeln gab es zwei rundschädelige, die in den Balken oder Kleinasien weisen, einer stammte aus den mitteleuropäischen Alpen, einer war eine mediterran-rundschädelige Mischform, der fünfte rundschädelig, Herkunft unbekannt. Bei den Ausgrabungen liessen sich Brandbestattungen im 12. Jh. v. Chr. nachweisen, die auf fremde Einflüsse zurückgehen. Im griechisch-mykenischen Raum waren sie nicht üblich, dafür in Kleinasien. Ein weiterer Fund war ein Skelet in zwei ineinander gestecken Vorratskrüge. Ein Brauch, der bei den Hethitern üblich war (S. 137).

Die Philister waren keine Seefahrer, sondern Bauern, Handwerker, Kaufleute, die ihre Produkte im weltweiten Handel anboten, etwa Olivenöl aus Ekron, Textilien und Metallgüter aus Asdod? Es waren blühende, wohlhabende Städte, mit einer grossen kulturellen und religiösen Strahlkraft in Palästina. So schreibt Moshe Dothan zu I. Samuel 10,5-6:

Diese Passage hebt die Bedeutung der Musik für die damaligen Israeliten als Mittel, göttliche Offenbarung zu empfangen, hervor, eine Tradition, die wir auch aus den Legenden um David und Salomo kennen. Obwohl die Bibel immer das Gegenteil betont, gab es offenbar Übereinstimmungen zwischen der israelitischen Kultpraxis und der der Philister (54).

Die oberste Gottheit der Philister im 12. Jahrhundert v. Chr. war wie auf dem griechischen Festland eine Muttergöttin. So fanden die Archäologenw/m in Ashdod die Stuhlgöttin Ashdoda, in Ekron die Potnia/Adatoh und in Tell Qasile eine unbestimmte Göttin (55):

Figurine aus Tell-Qasile

Erst nachdem sie gegen Ende des 11. Jahrhunderts begannen, sich der Sitten des Landes anzupassen, begann Dagon für sie eine Rolle zu spielen. Davor hatte «Asdoda» sie beherrscht. Im ersten Jahrhundert nach ihrer Ankunft waren sie der Grossen Mutergottheit der ägäischen Welt treu geblieben (56)

weibliche anthropormorphe Figurine aus Tell Qasile,
Trude und Moshe Dothan, «Die Philister», S. 119

6.2.Eli und Pin(e)as (I. Sam. 4,13ff.)

6.2.1. Ausschau halten

In I. Samuel 4,13 hält Priester Eli «Ausschau» nach der Lade, weil er Angst um sie hatte. Er hält Ausschau, obwohl er nach V. 18 mit 98 Jahren alterschwach und blind war. Dass da Tausende toter Krieger auf dem Schlachtfeld lagen und seine beiden Söhne umgekommen waren, schien ihn nicht zu belasten. Erst als der Bote vom Schlachtfeld ihm eröffnete, dass die Lade Gottes genommen wurde, fiel er tot um. Die Emotionslosigkeit des Priesters angesichts der x-tausend Toten passt nicht zum Geschehen und gehört ursprünglich nicht zu diesem Ereignis. Es handelt sich hier also um einen unbekannter Priesterkönig von Silo, der als Priester Eli ausgegeben wird. Er verehrte aber nicht Jahwe sondern Aaron Jahwe respektive Arinna-Ḫepat Baalath, die «genommen wurde» (V. 17), hier als weibliche Grösse verstanden. Dies passt zum Satz «die Erde bebt». Das lässt auch den Schluss zu, dass anstelle der Söhne Hofni und Pineḫas die «Schwiegertochter» und evt. eine zweite Frau als Repräsentantinnen der Göttin AARON JHWH BAALATH bei der Entscheidungsschlacht anwesend waren und in die Hände der Philister fielen. - Jedenfalls wird im Text I. Samuel 4 nirgend erwähnt, wo genau sich die «Schwiegertochter» beim Einsetzen der Wehen befand.

Ein Hinweis für die Anwesenheit einer Frau in der Entscheidungsschlacht beschreibt Julian Morgenstern (57). Er vergleicht die alttestamentliche «Lade» mit der altarabischen Qubbe, der Mahmal oder Otfa. Bei Entscheidungsschlachten ritt eine junge Frau nackt oder leicht bekleidet als Repräsentantin der Göttin in einem Behälter (Otfa/Markab) oder unter einem Zelt (Mahmal) auf dem Kamel mit und feuerte die Männer ihres Stammes an. Sie war die schönste und nobelste Frau im Stamm und normalerweise die Schwester oder Tochter des Häuptlings. In dieser Situation ist sie die mächtigste Person im Stamm und kann einen militärischen Führer bestimmen – Damascus Mahmal

A complete Cover for a Damascus Mahmal, aus wikimedia

wie im Alten Testament Deborah den Barak. Freund und Feind war es verboten ihr ein Leid anzutun (S. 177). - Doch dies galt unter altarabischen Stämmen, die Krieger im alten Palästina hatten keine Hemmungen, Frau(en) gefangen zu nehmen. In Richter 5 fasst eine Fürstin die Lage der Frauen bei einem Sieg wie folgt zusammen:

Die klügsten ihrer Fürstinnen antworten, sie selbst wiederholt sich das, was sie sagen: Werden sie nicht Beute finden und sie teilen? Ein Frauenleib, zwei Frauenleiber für jeden Mann, … (Richter 5,29f.).

Julian Morgenstern zeigt auch, wie Frauen und Göttinnen durch Männer und Götter ersetzt wurden, etwa am Beispiel einer alten Frau, die in ägyptischen Prozessionen die ägyptische Katzengöttin Bast vertrat. Sie wurde durch einen alten Mann ersetzt (58).

This was an old woman, clad only in a single garment, in other words nominally naked, who carried with her upon her camel five or six cats. Later the Egyptian government compelled the substituion of an old man for the old woman (S.203).

6.2.2. Von der Göttin zum Propheten

Zu den bekanntesten Göttinnen Altarabiens gehören Al-Lat, Al-Ussa und Manat (59). (Al-)Ussa begegnet uns auch im Alten Testament im Zusammenhang mit Aaron:

  • Psalm 132,8 «du und deine machtvolle Lade»
  • Ussa, der/die versuchte, die Lade beim Herunterfallen zu hindern (II. Sam. 6,3ff.)
  • Das Königsgrab im Garten des/r Ussa (II. Kön. 21,18ff.)

Dazu habe ich einen interessanten Aufsatz von der Universität Helsinki gefunden, an der die nabatäische Religion in Jordanien untersucht wird: Von der nabatäischen Hauptstadt Petra zum «Jabal Haroun» (Mount Haroun) gab es einen Pilgerweg. Antti Lahelma beschreibt in «from Goddess zu Prophet» (60), dass Jabal Haroun (= Mount Hor, Num. 20,23-28) nahe der nabatäischen Stadt Petra in Jordanien in christlicher Zeit als Grabesstätte Aarons, des Bruders Mose betrachtet wurde, zuerst vom jüdischen Gelehrten Flavius Josephus (61) im 1. Jh. nach Chr., dann von Kirchenlehrern wie Eusebius von Caesarea 3./4. Jh. n. Chr. und Hieronimus (4./5. Jh. n. Chr.):

St. Jerome confirms ‘Mount Or’ as the mountain ‘on which Aaron died, near the city of Petra, where even until today the stone is shown which Moses struck and gave water to the people’ (S. 198)

Nach christlicher Interpretation ist Jabal Haroun/Mount Hor/Mount Or ebenso der Ort, wo Mose unerlaubterweise mit dem Stab auf den Felsen geschlagen haben soll, worauf Wasser hervorsprudelte (Num. 20). In byzantinischer Zeit wurde das «Kloster von St. Aaron» gebaut (S. 200). Das Kloster befindet sich auf dem Plateau unterhalb des Bergkammes. Bei Ausgrabungen kam ein nabatäischer Tempel aus dem 1. oder 2. Jahrhunder n. Chr. zum Vorschein, das vom Kloster überbaut worden war. Im «Western Building» befand sich auch ein Wasserreservoir «triclinium»(S. 204).

Katri Koistinen

Map drawn by A. Lahelma,
based on the top plan of the site created by Vesa Putkonen und Katri Koistinen (S. 201)

Helsinkische Wissenschafterw/m halten «Jabal Haroun» für das «chief mountain sanctuary of the city (Petra)». Darauf weisen schon zwei figürliche Darstellungen einer weiblichen Gottheit auf dem Pilgerweg von Petra auf den Mount Haroun. Diese Figuren werden mit der ägyptischen Isis identifiziert, die in Römerzeit mit Al-Uzza synchretisiert wurde.

Rain Mother

An early- twentieth-century procession of the 'Rain Mother' among the Rwala Bedouin in the Syrian Desert. From Musil (1928, 13), aus «researchgate»

Noch anfangs des 20. Jahrhunderts versammelten sich Beduinenfrauen auf einem Platz, von wo Jabal Haroun gut sichtbar war und beteten zur Amm al-ghēth «Mutter des Regens», wie Päivi Miettunen beschreibt: Die Amm al-ghēth war eine grobe weibliche Puppe, die von einer Jungfrau in der Prozession von Frauen getragen wurde. Die Frauen gingen singend durch ein Dorf und an lokalen Schreinen vorbei. Einige der Lieder waren an Allah gerichtet, andere waren Gebete an die «Mutter des Regens». Päivi Miettunen übersetzt:

O Mother of the rain, O eternal
wet our withering seeds
Yā-amm al-ghēth yā dāym
Balli zrā’īna-l-nāymYā-amm al-ghēth yā dāym
O Mother of the rain [of the slopes?]
let the (her) floods run in their courses.
Yā-amm al-ghēth yā hadrij
Khalli siyālha yidrij (62)

Die helsinkischen Wissenschaftlerw/m sind sich einig, dass dieser Brauch auf Al-Ussa zurückgeht, die mit Duschara das oberste nabatäische Götterpaar darstellte.

Besonders eindrücklich scheint mir der enge Zusammenhang von Berg und Quelle. Isis, die sich in den Sümpfen des Nildeltas aufhält, ist kaum eine Quellengöttin. Doch die Namen Haroun und Uzzah zuoberst auf dem Berg weisen auf eine Sonnengöttin, die einen engen Bezug zur Quelle hat. Der Nam H-aroun weist auf die Sonnengöttin von Arinna. Im zentralanatolischen Hochplateau sind wohl alle Götterw/m irgendwie Berggötterw/m, die Sonnengöttin von Arinna eine Quellgöttin. Darauf weist schon der Name Arinna, zu dem Marciej Popko schreibt:

Girbal versteht den Namen Arinna als ari+nna und übersetzt ihn «(die Stadt) der Quelle». Andererseits wird arinni «Quelle» als hurritisches Wort betrachtet (63).

Natürlich ist es klar, dass in Trockengebieten hervorsprudelndes Wasser aus dem Berg eine besondere Bedeutung hat, aber dass man Quelle und Bergkamm mit Al-Uzza und Jabal Haroun in Zusammenhang setzt, ist doch sehr erstaunlich und weist auf eine jahrtausende alte Tradition, die zu den Hattier in Zentralanatolien weist.

6.2.3. Pinehas Frau

Die Erwähnung der beiden Brüder Hofni und Pineḫas in enger Beziehung zu Aaron in Silo lässt doch fragen, ob die zwei Namen Ḫofni und Pinḫas auf anatolische Namen zurückgehen könnten und von späteren Schreibern nicht mehr verstanden und durch einen geläufigeren Namen ersetzt wurden? Die gebärende Frau Pineḫas nennt ihren Sohn I-Kaboth, was sie näher an «Kašbaru-jah»/«Kaboth Jah» rückt. So gehe ich davon aus, dass sie in diesem Zusammenhang Pineḫas war oder hattisch dPalatipinu, das die alttestamentlichen Redaktoren ägyptisch angepasst haben. Zu dPalatipinu schreibt Oguz Soysal (64):

S. 142/146: Dastanun Dtappinu(n) –
vgl. auch dIstanu dPalatappinu *Ištanu pala te-pinu «Ištanu und ihr Kind»

S. 244: Dastan=un Dtappinu (*astan=un pala ta=pinu) und Distanu Dpalatappinu
(*istanu pala ta=pinu) «Sonnengöttin und ihr Kind»

Im Text eines Monatsfests heisst es (65):

LUGAL-uš MUNUS.LUGAL-ašš=a GUB-aš dIštanu dPalatappinu akunanzi.
The king and queen drink Istanu «and her child» / «and» Tappinu (CTH 591)

dPalatappinu ist die hattische Bezeichnung für das «Kind der Ištanu» (66), hethitisch «Tappinu», uns besser bekannt unter dem Namen Mezzulla, Tochter der Sonnengöttin von Arinna. In wikipedia heisst es von ihr:

Mezzulla war wie ihre Mutter hattischen Ursprungs und sie wurde auch Tappinu (hattisch) «ihre Tochter» genannt. Als Tochter der beiden hethitischen Hauptgottheiten konnte sie in Gebeten als deren Vermittlerin fungieren, besonders ihrer Mutter. Zudem diente sie als Helferin beim Feldzug.

Sie hatte in Arinna ihren eigenen Tempel und wurde in Form «kultischer Sonnenscheiben aus Silber» verehrt (67).

Die Nähe des hattischen Begriffs Palatappinu als Tochter der Sonnengöttin von Arinna lässt doch den berechtigten Schluss zu, dass zumindes das Wort Pinu (Kind) für «Tochter des Sonnengöttin» vom ägyptischen Namen Pinḫas ersetzt worden war.

6.3. I. Samuel 5: Aaron Elohe Israel
                            (Aaron, Gott Israels)

6.3.1. Übersetzung: Die Lade bei den Philistern

  1. Und (die) Philister hatten Aaron ha-Elohim genommen und brachten ihn von Eben-Eser nach Aschdod.
  2. Und (die) Philister nahmen Aaron ha-Elohim, brachten sie (in) das Haus des Dagon und stellten ihn neben Dagon. Und als sich die von Aschdod am folgenden Tag früh aufmachten, sieh, da lag Dagon mit seinem Gesicht auf der Erde, vor dem Angesicht Aaron Jahwes. Und sie nahmen Dagon und stellten ihn zurück an seinen Platz.
  3. Aber als sie am andern Morgen früh sich wieder aufmachten, siehe, da lag Dagon mit seinem Antlitz auf der Erde, vor dem Angesicht von Aaron Jahwe. Aber sein Haupt und seine beiden Hände abgeschlagen auf der Schwelle, bloss der Rumpf (lag) auf ihm.
  4. Darum treten die Priester Dagons und alle, die in das Haus des Dagon kommen, nicht auf die untere Schwelle Dagons (כְּרֻתֹות֙ אֶל־הַמִּפְתָּ֔ן ) in Aschdod bis auf den heutigen Tag.
  5. Und die Hand Jahwes lag schwer (lag schwer: fem.) auf denen von Aschdod, und er versetzte sie in Schrecken und schlug sie mit Geschwüren, Aschdod und sein Gebiet.
  6. Und die Männer von Aschdod sahen, wie es stand, und sie sagten: Aaron Elohe Israel darf nicht bei uns bleiben, denn seine Hand ist hart (fem) gegen uns und gegen Dagon, unseren Gott.
  7. Und sie sandten hin und versammelten alle Stadtfürsten der Philister bei sich und sagten: Was sollen wir mit Aaron, dem Gott Israels machen? Und sie sagten: Aaron ha-Elohim Israels soll weg nach Gat! Und man schaffte Aaron ha-Elohim Israels weg.
  8. Und nachdem man sie weggeschafft hatte, lag die Hand Jahwes auf der Stadt, es herrschte eine sehr grosse Verwirrung, und er schlug die Männer der Stadt vom kleinsten bis zum grössten, und es brachen Geschwüre an ihnen auf.
  9. Und sie sandten Aaron ha-Elohim nach Ekron. Und als Aaron ha-Elohim nach Ekron gekommen war, schrien die von Ekron: Sie haben zu mir Aaron ha-Elohim Israel weggeschafft, um mich und mein Volk zu töten.
  10. Und sie sandten hin und versammelten alle Stadtfürsten der Philister und sagten: Schickt Aaron ha-Elohim Israels weg, damit sie zurückkehrt an ihren Ort und nicht mich und mein Volk tötet. Denn es war eine tödliche Verwirrung in der ganzen Stadt; sehr schwer war dort die Hand Gottes.
  11. Und die Männer, die nicht gestorben waren, wurden mit Geschwüren geschlagen. Und der Hilferuf der Stadt stieg auf zum Himmel.

6.3.2. Interpretation

a) Aaron, Gott Israels

Die Gottesbezeichnungen von I. Samuel 5 im Masoretentext sind ausserordentlich, denn es ist von Aaron Elohe Israel die Rede. Die Septuaginta gibt Aaron Elohe Israel konsequent mit «die Truhe des Gottes Israels» (68) wider und bindet sie mit den nötigen Artikeln an Gott: τὴν κιβωτὸν τοῦ θεοῦ (V. 1) (69). Im Masoretentext hat Aaron (ha-Elohim) aber keinen Artikel, d.h. Aaron ist der Name, der die Gottheit bezeichnet. Für die Übersicht stelle ich die Gottesbezeichnungen in einer Tabelle zusammen:

Aaron, die Gottheit/die Lade des Gottes
MT / LXXDeutsch
V. 1אֲרֹ֣ון הָאֱלֹהִ֑ים / τὴν κιβωτὸν τοῦ θεοῦ
V. 2אֶת־אֲרֹ֣ון הָאֱלֹהִ֔ים / τὴν κιβωτὸν κυρίουAaron, die Gottheit/die Lade des Gottes
V. 3a) לְפָנָיו֙ אַ֔רְצָה
b)לִפְנֵ֖י אֲרֹ֣ון יְהוָ֑ה
a) Mit seinem Angesicht zur Erde,
b) Vor dem Antlitz Aaron JHWH
V. 4a) לְפָנָיו֙ אַ֔רְצָה
b) לִפְנֵ֖י אֲרֹ֣ון יְהוָ֑ה
a) Mit seinem Angesicht zur Erde
b) Vor dem Antlitz Aaron Jhwh
V. 6יַד־יְהוָ֛ה Die Hand Jhwhs
V. 7a) אֲרֹ֨ון אֱלֹהֵ֤י יִשְׂרָאֵל֙
יָדֹו֙
a) Aaron, Gottheit Israels
b) seine Hand
V. 8a) לַֽאֲרֹון֙ אֱלֹהֵ֣י יִשְׂרָאֵ֔ל
b) אֲרֹ֖ון אֱלֹהֵ֣י יִשְׂרָאֵ֑ל
c) אֶת־אֲרֹ֖ון אֱלֹהֵ֥י יִשְׂרָאֵֽל
a) mit Aaron, Gottheit Israels
b) Aaron, Gottheit Israels
c) Aaron, Gottheit Israels
V. 9יַד־יְהוָ֤הDie Hand Jahwes
V. 10a) עֶקְרֹ֑ון אֶת־אֲרֹ֥ון הָאֱלֹהִ֖ים
b) עֶקְרֹ֑ון אֲרֹ֤ון הָאֱלֹהִים֙
c) אֶת־אֲרֹון֙ אֱלֹהֵ֣י יִשְׂרָאֵ֔ל
a) Aaron, die Gottheit (nach) Ekron
b) Aaron, die Gottheit (nach) Ekron
c) Aaron, Gottheit Israels
V. 11a) אֶת־אֲרֹ֨ון אֱלֹהֵ֤י יִשְׂרָאֵל֙
b) יַ֥ד הָאֱלֹהִ֖ים
a) Aaron, Gottheit Israels
b) Hand der Gottheit
V.- 12 הַשָּׁמָֽיִם Der Himmel

Gängige Übersetzungen folgen der griechischen Septuaginta und übersetzten «die Lade des Gottes» oder «die Lade des Herrn». Die Septuaginta sowie die Übersetzer gehen dabei von Stellen wie II. Mose 25 aus, wo Mose den Auftrag erhält, ein Kultgegenstand herzustellen, ein kultischer Behälter, ha-Aaron genannt (70). Wir wissen aber alle, dass diese Vorstellung in die Zeit des babylonischen Exils zurückgeht.

Wie im vorigen Kapitel steht auch hier «Aaron Jahwe» im engen Zusammenhang mit der Erde, genauer der Muttergöttin:

  • In I. Samuel 4,5 ist Aaron ha-Elohim eng verbunden mit «die Erde bebt». Und die Philister nennen Aaron Jahwe «diese Götter».
  • Sam. 5,3-4 ist zweimal «vor dem Angesicht» (לפני) die Rede, da lag Dagan mit seinem Antlitz auf der Erde, vor Aaron Jhwh. Ursprünglich dürfte hier gestanden haben:
    • «vor dem Angesicht der Erd(göttin)»
    • «vor dem Angesicht Aaron Jhwh»

«Vor dem Angesicht AARON YHWH» erinnter an hethitische Redewendungen (71):

  • Ištanu schaute vom Himmel herab CTH 360
  • Kamrušepa schaute vom Himmel herab CTH 324

«vor dem Angesicht der Erdgöttin», vor dem Angesicht Aaron Jahwe ist dann von der anderen Seite betrachtet, von der Seite des Opfers oder des Anbeters.

Der biblische Redaktor fügt in V. 6 die Hand JHWH (f) ein, nach ägyptischem Vorbild. Dies ist ein Trick, um die weibliche Form, die in seiner Vorlage vorkommt und zur Sonnengöttin gehört, auf seinen männlichen Jahwe umzuinterpretieren.
Ägyptische Sonnenhände: "Aten" in wikimedia.org

Grundsätzlich nennen die Philister in I. Samuel 5 die Gottheit «Aaron elohe Israel»/«Aaron, Gott Israels». In unseren Bibel-Übersetzungen wird Aaron ha-Elohim als genitiv constructus aufgefasst, «die Lade Gottes», «die Lade Jahwes/des Herrn». - Vergleichen wir nun «Aaron Elohe Israel» (I. Sam. 5) mit Sätzen wie «Jahwe, Gott Eurer Väter», «Jahwe, Gott Israel»:

  1. 1. Samuel 5,7: אֲרֹ֨ון אֱלֹהֵ֤י יִשְׂרָאֵל֙: hier ist von Aaron, Gott Israels die Rede
  2. Ex. 3,16: אֲלֵהֶם֙ יְהוָ֞ה אֱלֹהֵ֤י אֲבֹֽתֵיכֶם֙: Jahwe, der Gott eurer Vorfahren, der Gott Abrahams
  3. Ex. 3,18: יְהוָ֞ה אֱלֹהֵ֤י הָֽעִבְרִיִּים֙ נִקְרָ֣ה : 'Jahwe, der Gott der Hebräer, ist uns erschienen.
  4. Ex. 5,1: כֹּֽה־אָמַ֤ר יְהוָה֙ אֱלֹהֵ֣י יִשְׂרָאֵ֔ל: So spricht Jahwe, der Gott Israels
  5. Ex. 32,27: 27וַיֹּ֣אמֶר לָהֶ֗ם כֹּֽה־אָמַ֤ר יְהוָה֙ אֱלֹהֵ֣י יִשְׂרָאֵ֔ל: So spricht Jahwe, der Gott Israels
  6. Und viele weitere Stellen!!!

Grammatikalisch kann ich im Hebräischen beim besten Willen zwischen «Aaron, Elohe Israel» und «Jhwh, Gott eurer Väter» oder «Jahwe, Gott Israels» keinen Unterschied ausmachen. Das heisst, die grammatikalische Struktur von Aaron Elohe Israel ist mit der von Jhwh Elohe Israel identisch:

Aaron Elohe Israel = Jhwh Elohe Israel

Die Philister bezeichnen also den ursprünglichen Gott Aaron Elohe Israel. Dieser Gott hat eine enge Beziehung zur Erde, zur Erdgöttin, zieht aber am Himmel vorüber. Das heisst, der Gott ist eine Sonnengöttin auf ihrem Tages- und Nachtlauf.

b) die fremde Göttin

Aber weshalb konnte eine fremde Sonnengöttin in Kanaan Fuss fassen? Ditlef Nielson zeigt in «die altsemitische Muttergöttin» (72), wie im Südwesten der arabischen Halbinsel der Mond als Vatergott und die Sonne als Muttergöttin verehrt wurden. Der Mondgott trug den Namen Šin-Galla, sie Atirat. Das Götterpaar hatte sich während des 4. und 3. Jahrtausend v. Chr. über Palästina und Sumer verbreitet:

Wie in früheren Arbeiten ausgeführt, ist die südsemitische oder altarabische Religion in allen Punkten die älteste historisch erkennbare Stufe von semitischer Religion, und diese Stufe hat sich noch teilweise in den sekundären nordsemitischen Religionsformen erhalten, die ebenfalls viele Reste der altsumerischen, nichtsemitischen Religion bewahrt haben (S. 505).

In der Amarna-Korrespondenz spielt die Sonnengöttin Asirat noch dieselbe Rolle wie in den altarabischen Inschriften, ebenso im Alten Testament. Noch zur Zeit Mohammeds wurden die Sonnengöttinnen als Sms, Mehrzahl Asmun verehrt. Diese waren vor allem Muttergöttinnen und Schutzgöttinnen. Im Koran werden sie jedoch einfach «Weiber» genannt:

«Sie rufen ausser ihm (Allah) Weiber an» (Sure 4,117; S. 522)

Bekann ist auch, dass Allah im Sommer bei Al-Lat und im Winter bei Al-Uzza wohnt. Wie oben erwähnt, ist die Sonnengöttin Arn/Arinna mit Al-Ussa eine synchretistische Verbindung eingegangen, die auch im Alten Testament nachzuweisen ist. Das Verschwinden der Muttergöttin erklärt Ditlef Nielson damit, dass mit der Zeit die Idee der Schöpfung an Stelle von Zeugung und Geburt getreten war.

Ende des 2. Jt. v. Chr. waren Sonnengöttinnen in Palästina allgegenwärtig, auch kennen wir bedeutende ägyptische Göttinnen mit Sonnenscheiben. Isis mit Sonnenscheibe

Isis aus «mein-altaegypten»

Was das Alte Testament betrifft, da scheint es die «Raḫel-Gruppe» gewesen sein, die Arinna-Ḫepat von Osten nach Palästina mitgenommen haben.

c) Dagan

In I. Samuel 5 nahmen die Philister die erbeutete Aaron ha-Elohim und stellten sie neben dem Gott Dagan. Am anderen Morgen lag Dagan mit seinem Gesicht der Erde zugewandt am Boden, vor dem Antlitz Aaron Jhwh. Ein umständlicher Satz, indem zweimal Antlitz vorkommt: «Dagans Antlitz zur Erde» und «Dagan vor Aaron Jhwh». Wie in I. Samuel 4 ist «Erde» auch hier an die Muttergöttin erinnert.

Volkert Haas beschreibt Dagan als einen typischen Korngott, der in Syrien beheimatet war und über Tausende Jahre bis in die Seleukidenzeit verehrt wurde. In Ebla ist er «Herr des Landes». Er wird mit Enlil und Kumarbi verbunden. Seine Tochter war die Vegetationsgöttin DSalas/DSalus. Volkert Haas schreibt (73):

Da das Getreide aus der Erde, bzw. der Unterwelt hervorspriesst, steht Kumarbi, wie alle Korngötter, in enger Beziehung zur Unterwelt. Dort, so heisst es in einem hethitischen Beschwörungsritual in peotischer Form, fliesse das Quellwasser (in der Unterwelt) «unter seinem Thron hindurch und auf das Haar der Sonnengöttin der Erde» (CTH 446).

In einem Text von Ebla (3. Jt. v. Chr.) gehört eine silberne Hacke zur Ausstattung Dagans. Damit kann er den Himmel von der Erde trennen. Die Hacke, die Ackerfurchen zieht assoziiert der Autor mit einem kultischen Sexualakt. Als Korngott ist er auch mit den Unterweltgöttinnen Allatum un Belili verbunden.

Ashdoda

«Ashdoda» (1050-950 v. Chr.), aus «Bibellexikon»

Schaut man in Wikipedia nach den Göttern der Philister, dann sind Dagan und Baal Zebul erwähnt und die Göttin Derketo. Doch weitere Recherchen zeigen, dass Ende der Bronzezeit in der Philisterstadt weibliche Hauptgöttinnen vorherrschten: In Ashdod wurde ein weiblich geformter Stuhl ausgegraben. Die einen sehen in ihm bloss (!) eine Frau, andere eine Throngöttin. In Ekron wurde der Tempel einer Hauptgöttin (patron goddess) «Pt[g/n]dyh» (74) gefunden, der von König Achisch im 7. Jh. v. Chr. erbaut und 6. Jh. v. Chr. zerstört wurde. In einer Inschrift heisst es:

The temple (which) Achish son of Padi son of Ysd son of ’Ada’ son of Ya‘ir ruler of Ekron built for Pt[n]yh, his Lady. May she bless him and ke[e]p him and prolong his days and bless his [l]and.”- translated by Aaron Demsky (75), (Vgl. Num. 6,24).

Da es zur Zeit Davids auch einen König Achisch von Gad gegeben hat (I. Sam. 21,11; 27,2), vermutet Aaron Demsky, das Ekron das terrritoriale und kulturelle Erbe von Gad übernommen hatte. Dann bringt der Autor anhand des Namens Pt-[g/n]-yh ein Müsterchen, wie schwierig die Entzifferung alter Gravouren sein können. Im Text findet sich ein angefangener Buchstabe und die Frage lautet, ist hier Gimmel oder Nun geschrieben? Hat der Steinmetz den Buchstabe gemeisselt oder aus Unsicherheit unterbrochen? Ekron Buchstaben

Interpretationen des Namens der Philister-Göttin in Ekrony

Joseph Naveh geht davon aus, dass es sich bei Ptgyh um die griechische Göttin Pytheie (Artemis) handelt. Doch Aaron Demsky setzt statt Gimmel ein Nun und kommt auf den Namen Potnia «mistress», «lady», die im minoisch-mykenischen Kulturraum für verschiedene Göttinnen gelten, etwa Potni’ Athenain, die den Palast des Königs von Mykene beschützte. Demzufolge wurde in Ekron der königliche Tempel von der Potnia (patron goddess) beschützt, die im gleichen Text auch kanaanäisch Adatoh «Herrin» genannt wird.

Bei Dagan in I. Samuel 5 stellt sich die Frage, haben die biblischen Theologen in I. Samuel 5 wieder einmal ‘korrigiert’ oder ist hier ein Fruchtbarkeitsritus beschrieben. Den stelle ich mir wie folgt vor: Die Dagan-Statue, wohl ein Tonkrug, wurde zerschlagen, damit die Körner im Angesicht der Sonnengöttin in die ‘bebende’ Erde eindringen konnten. - Von einem Wettergott, für den Jahweh gehalten wird, ist hier nirgends die Rede. Kein Donner, kein Blitz, kein Regen. Es geht hier allein um die Muttergöttin Erde und den Korngott Dagan. Dabei ist es ein Ereignis, das in der Nacht stattfindet, als Aaron/Arn/Arinna als Nachtsonne Wuru(n)semu in der Unterwelt weilte.

Doch da war auch die unsägliche Katastrophe, bei der offenbar das Korn verdarb und eine Seuche ausbrach. Die Seuche hat etwas mit «dem Hintern zu tun» – Walter Dietrich vermutet «Hämorhoiden» (76). Doch als Seuche kommt doch wohl eher Durchfall, Ruhr oder Cholera in Frage. Die Erinnerung greift der biblische Autor auf, um seine Geschichte von der Überlegenheit seines Gottes Jahwe zu erzählen. Er greift wenig in seine Vorlage ein. Doch in V. 6 ist plötzlich von der «Hand Jahwes» die Rede. Diese «Hand Jahwes» ist die Korrektur des biblischen Autors, um die weibliche Form, die eigentlich zu Arn-Hwjh/Arinna-Ḫepat in der Vorlage gehört, beizubehalten. Die «Hand Jahwes» lastet schwer über der Stadt und ihrem Gebiet גבולה. «Ihrem Gebiet» wirkt wie ein Nachtrag, sodass ich mich frage, ob hier ursprünglich nicht «gebirah»/גבירה/«Herrin» gestanden hatte. Auf alle Fälle reden die Philister grundsätzlich nur von der Aaron elohe Israel, von «Aaron, Gott Israels», und rufen am Schluss den Himmel an, doch wohl eher die Himmelsgöttin Ḫepat.

Text und Design: Esther Keller-Stocker, 15.03.2022

* * *

Literaturhinweise:

  1. Peter Porzig, «Die Lade Jahwes im Alten Testament und in den Texten vom Toten Meer», S. 27 vgl. S. 40.41
  2. Thomas Podella, «das Lichtkleid JHWHs» in academia.edu;
    Trevor Bryce, «The World of the Neo-Hittite Kingdoms», S. 14
  3. Volkert Haas, «Hethiter» in «Religionen des Alten Orients», S. 227
  4. Zobel, ThWAT I, «Aaron»
  5. Richard S. Hess «Israelite Religions», S. 12.76; vgl. Renate Jost, «Isebel» in «bibelwissenschaft.de»
  6. Ed Noort, «Die Seelvölker in Palästina», S. 50
  7. Fritz Stolz, Das erste und zweite Buch Samuel, S. 214
  8. Vgl. L. Rost, Die Überlieferung von der Thronnachfolge Davids (1926), Das kleine Credo (1965) 152.155ff.; G. v. Rad, Zelt und Lade (1931); S. 115.127; Zobel, Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Spalte 402
  9. Jörg Jeremias, «Lade und Zion» in «Probleme biblischer Theologie» (FS G. vRad), Herausgeber Hans Walter Wolff (Hg.), 1971, S. 185.183-196
  10. So schwuren bei der Gründung der schweizerischen Eidgenossenschaft im Jahre 1291 Vertreter von nur 3 Kantonen den Rütlischwur
  11. Eric H. Cline, «1177 v. Chr. – Der erste Untergang der Zivilisation», S. 202ff. Altertum, Ende der Bronzezeit, Video 10-12:16 min.
  12. Eric H. Cline, «1177 v. Chr.», S. 190.202
  13. Über die Grösse eines Heeres vgl. Francis Breyer, «Ägypten und Anatolien», S. 130
  14. Über das Strafgericht vgl. Odil Hannes Steck, «Israel und das gewaltsame Geschick der Propheten»
  15. «Fest steht dein Thron (כסא) von uran» (Psalm 93,2) in Jörg Jeremias, «Das Königtum Gottes in den Psalmen», S. 14
  16. «Kirjat-Jearim» in wikipedia, 30.03.2021
  17. Bauer-Leander, «Historische Grammatik der hebräischen Sprache des Alten Testaments», S. 8
  18. Erasmus Gass, «Kirjat-Jearim» in «bibelwissenschaft.de», Oktober 2017
  19. Bauer-Leander, «Grammatik der hebräischen Sprache des Alten Testaments», S. 71ff.
  20. «Hebräer» in wikipedia, 04.06.2021
  21. Cahit Günbatti, «assyrische Kaufleute und anatolische Fürsten» in CDOG 6, S. 128
  22. Vgl. Steven Pinker, «Gewalt – eine neue Geschichte der Menschheit»
  23. in Terra X, «Klima macht Geschichte», Teil 1, 38 min.; Eric H. Cline, 1177 v. Chr., S. 211
  24. Emily Teeter «Ende der Bronzezeit» aus «Terra-X, 16:59min. Dominik Fleitmann «Klima macht Geschichte» in Terra-X, 36:21 min; Mark Maslin, «Klima macht Geschichte» (1/2) in Terra-X, 39 min.
  25. Eric H. Cline, «1177 v. Chr. – Der erste Untergang der Zivilisation», S. 228f
  26. «Špš arn» ugarithisch für «Sonnengöttin von Arinna in Thomas Podella, «das Lichtkleid JHWHs», S. 153
  27. HWWH/ HAWJA in Claus Westermann, «Genesis, Kapitel 1-11», Biblischer Kommentar Altes Testament, Bd. I, S. 364f.
  28. Ḫalab heute Aleppo. «Ḫepat» oder «Ḫebat» in wikipedia, 24.06.2016
  29. Catalog der Texte der Hethiter 384.1 übersetzt von Elisabeth Rieken, in «hethport.uni-wuerzburg.de».
  30. ausser etwa Christa Mulack, «die Weiblichkeit Gottes», S. 146
  31. Martin Rose, «Jahwe – Zum Streit um den alttestamentlichen Gottesnamen», Theologische Studien, Band 122, 1978, S. 25, S. 33.39
  32. Volkert Haas, «Geschichte der hethitischen Religion, S. 383
  33. Claus Westermann, «Genesis, Kapitel 1-11» Biblischer Kommentar Altes Testament, S. 364f
  34. Othmar Keel, «Gott weiblich?», S. 16; Jan Heller, «Der Name Eva» in Archiv Orientalni 26, 1958; Hebath, Cheba(t), Chepa(t),
    über sprachliche Merkmale vgl. Clinton John Moyer, «Literary and Linguistic Studies in Sefer Bil’am (Number 22-24)» aus «academia.edu»
  35. Claus Westermann, «Genesis, Kapitel 1-11» Biblischer Kommentar Altes Testament, S. 36
  36. Samuel Arnet, Wortschatz der Hebräischen Bibel, S. 83; Vgl. QuotesCosmos 1 Sam. 4:8
  37. «Israel Stele» in wikipedia, 25.06.2021; Anmerkung 5,6:
    die vollständige Fassung von Ursula Kaplony-Heckel: Die Israel-Stele des Merenptah. Gütersloh 1985, S. 546–549
  38. «Israel (Name)» in wikipedia, 28.04.2021
  39. Robert von Ranke-Graves, «Die weisse Göttin», S. 185 Anmerkung *, 1985, Rowohlt-Tb
  40. Rachel (Bibel) in wikipedia, 27.07.2021
  41. Vgl. meine Interpretation zu «eine unheile Ehe (Ez. 16)»
  42. Vgl Othmar Keel: Eva Mutter alles Lebendigen, S.64
  43. Andreas Schachner, «Hattuscha», S. 288
  44. Ziegenmilch macht Kinder widerstandsfähiger als Kuhmilch
  45. יש «es ist vorhanden; es gibt» in Samuel Arnet, «Wortschatz der Hebräischen Bibel», S 72
  46. Schaf- und Ziegenfleisch ist thermisch warm/heiss und kann zu erhöhter Aggressivität führen.
  47. Krzysztof Nowicki, «Altertum (Ende der Bronzezeit)» in Terra-X, 5:44ff. min
  48. so wie die Schweizer im 13. Jh. nach Chr. mit ihren Hellebarden in der Schlacht von Morgarten gegen die Habsburgern kämpften, die in ihren schweren Rüstungen auf ihren Pferden einen schweren Stand hatten.
  49. vgl. Film «Schlacht bei Megiddo», 43min.: Thutmose III. gegen den Fürsten von Kadeš und seine Verbündete
  50. Ulrich W. Sahm, «Knochenanalyse – die Philister kamen aus Europa» in «PRO – das christliche Magazin», 5. Juli 2019: DNA aus Gräbern von Aschkelon aus dem 12. Jh. v. Chr. weisen nach, dass die Philister von Südeuropa kamen
  51. Heike Sternberg-El Hotabi, «Der Kampf der Seevölker gegen Pharao Ramses III.», S. 52f
  52. «Kaphtor» in Wikipedia, 18.01.2021
  53. Trude und Moshe Dothan, «Die Philister», S. 133
  54. Trude und Moshe Dothan, «Die Philister», S. 192.194
  55. Trude und Moshe Dothan, «Die Philister», S. 245; Aaron Demsky, «Discovering a Goddess» in Bas Library, Sept./Okt. 1998
  56. Trude und Moshe Dothan, «Die Philister», S. 194
  57. Julian Morgenstern «the Ark, the Ephod and the Tent of Meeting» in «Hebrew Union College Annual» Bd. XVII 1942-43;
    vgl. Thomas Staubli, «Das Image der Nomaden im Alten Israel»
  58. Ähnliches beschreibt Hans Peter Duerr Rituale bei Cheyenne-Indianer, die auf eine «Mutter der Büffel» zurückgeht. Später übernahm der «Grossen Geist» ihre Position. Um an die Büffel zu kommen, vergewaltigt er sie respektive ihre irdischen Vertreterinnen einfach
  59. Videos «Altarabische Gottheiten» aus «Terra-x»; «Religion in Pre-Islamic Arabia», 6:50 min.
  60. Antti Lahelma, «From Goddess to Prophet: 2000 Years of Continuity on the Mountain of Aaron near Petra, Jordan», aus «Temenos», Vol 44 No. 2 (2008), S. 191-222 in «ResearcheGate»
  61. Antti Lahelma, «From Goddess to Prophet», S. 197; Flavius Josephus, «Antiquitates Judaicae» IV, 82-83
  62. Päivi Miettunen in Antti Lahelma, «From Goddess to Prophet», S. 206-208
  63. Marciej Popko, «Arinna – eine heilige Stadt der Hethiter» 2009, S. 14
  64. Oguz Soysal, «Hattischer Wortschatz in hethitischer Textüberlieferung», S. 142.146, aus «academia.edu»
  65. Kbo 20.67 I 18’-19’ (OH/MS) in Petra M. Goedegebuure, «Hattian Origins of Hittite Religious Concepts», S. 71 aus «ResearchGate»
  66. Jörg Klinger, Untersuchungen zur Rekonstruktion der hattischen Kultschicht, 1996, S. 142
  67. «Mezulla» in wikipedia, 22.01.2021
  68. Basileion I, 5, Septuaginta Deutsch, hrgs. Wolfgang Kraus und Martin Karrer, S. 306f.
  69. ΒΑΣΙΛΕΙΩΝ Αʹ, 5 in «bibelwissenschaft.de»
  70. Walter Dietrich, Die Samuelbücher im deuteronomistischen Geschichtswerk, S. 75f.
  71. Thomas O. Lambdin/Heinrich von Siebenthal, «Lehrbuch Bibel-Hebräisch», 20219, S. 330: «לפני: vor, in jeds Gegenwart; QuotesCosmos: «before»
  72. Ditlef Nielsen, «Die altsemitische Muttergöttin» in Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Nr. 17; Jg. 1938
  73. Volkert Haas, «Geschichte der hethitischen Religion», S. 169
  74. Aaron Demsky, «Discovering a Goddess» in Bas Library, Sept./Okt. 1998
  75. Aaron Demsky, «The Ekron Inscription» in Bas Library, Sept./Okt. 1998
  76. Walter Dietrich, Die Samuelbücher im deuteronomistischen Geschichtswerk, S. 76

Text und Design: Esther Keller-Stocker, 15.03.2022

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