Die Göttin hinter der alttestamentlichen Bundeslade, Teil 3

Esther Keller-Stocker

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3. Arawnah und David

3.1. II. Samuel 24

Im Alten Testament ist in II. Samuel 24 die Pest eng mit Ha-Aaron (der Lade) verknüpft. Der Text beginnt damit, dass Jahwes Zorn unvermittelt und ohne Grund hervorbricht und David reizt, die wehrpflichtigen Männer Israels zu zählen:

Und wieder entbrannte der Zorn des HERRN über Israel, und er reizte David auf gegen sie und sprach: Geh, zähle Israel und Juda. (V. 1)

Die Volkszählung war aber ein Sakrileg und der Feldherr Joab weigerte sich zunächst, den Befehl Davids auszuführen. Doch dann stand die Armee vor dem König, und dieser zählte die Männer. Kaum war die Zählung vorbei, bekennt David seine Sünde. Darauf sandte Jahwe den Propheten Gad zu David und liess ihn zwischen drei Katastrophen wählen: Sieben Jahre Hunger im Land, drei Monate lang Flucht vor Feinden oder drei Tage Pest im Lande. David wählte das dritte Unheil. Prompt wütete die Pest drei Tage lang und tötete siebzigtausend Mann von Dan bis Beer-Scheba. Frauen und Kinder nicht mitgezählt. Weiter beabsichtigte Gott Jerusalem zu vernichten:

Und der Bote (des HERRN) führte seine Hand gegen Jerusalem, um es zu vernichten, dem HERRN aber tat das Unheil leid, und er sprach zu dem Boten, der Vernichtung brachte im Volk: Genug! Zieh jetzt deine Hand zurück! Der Bote des HERRN aber war gerade bei der Tenne von Arauna, dem Jebusiter (V. 16f.)

Da gereute Jahwe das Unheil und liess den Engel der Vernichtung innehalten - genau vor der Tenne Araunahs, des Jebusiters. – Hier verschiebt sich der Verursacher der Seuche von Jahwe auf den Engel der Vernichtung (vgl. I. Chr. 21,15). Durch den Propheten Gad liess Jahwe David ausrichten:

Gehe hinauf zur Tenne Araunahs, des Jebusiters» (V. 18) und errichte dort einen Altar. König David ging zu Arawnah, der ihm die Tenne mitsamt den Rindern schenken wollte.

Die Plage hörte auf, weil David auf dem Land Araunahs dem Jahwe Brand- und Heilsopfer dargebracht hatte (V. 18-25) und nicht mehr, weil die drei Tage des Unheils vorbei waren. Später baute König Salomo genau auf diesem Platz den Jerusalemer Tempel (I. Kön. 6-8; I. Chr. 21).

Fritz Stolz schreibt zu Arawnah:

Eine weitere Figur, hinter der man eine hervorragende jebusitische Persönlichkeit vermutete, ist Arawna, der nach II. Sam. 24 dem Eroberer David seine Tenne als zukünftigen Tempelplatz verkaufte. Die Komposition des ganzen Kapitels ist undurchsichtig.... Einleuchtend ist die These, dass ein ursprünglich eigenständiges Motiv, für welches jebusitische Entstehung vorausgesetzt werden kann, von der Erscheinung eines Gottes (der später ‚Engel Jahwes‘ degradiert wurde) auf der ‚Tenne Arawnas‘ berichtete (1).

Wer weiss, vielleicht war die «hervorragende jebusitische Persönlichkeit» der letzte hethitische Grosskönig Šuppiluliuma II., der aus Ḫattuša verschwand und von da an nicht mehr gesehen wurde.

Zum Namen des Jebusiters Arawna schreibt Georg Hentschel (2), dieser sei nicht semitisch. Statt eines Namens kann der Begriff auch einen sozialen Rang bezeichnen. Der Autor überlegt sich, wenn Araunah aus dem Hethitischen übernommen ist, lässt sich der Name mit der Gottheit Uruwana (indisch Varuna) vergleichen, er kann aber auch einfach «frei» bedeuten. Das Wort kann ebenso hurritisch für «Ari-wana» («Herr» oder «König») stehen. Dieser Vorschlag würde den schwierigen Satz V. 23 erklären, der etwa übersetzt wird:

Das alles übergibt Arauna, der König, dem König (II. Sam. 24,23).

Archäologische Funde zeigen, dass auf dem Zion bereits vor David ein Tempel stand (3). Auch wohnte in Jerusalem eine hethitische Oberschicht (vgl. II. Sam. 11) oder zumindest eine Elite, die unter hethitischem Kultureinfluss stand. – Beim Namen Araunah gehen heutige Wissenschafter - wie bereits erwähnt - grundsätzlich von einem männlichen Gott aus, von einem El, einem Varuna oder El `äljon und übersehen meines Erachtens die für eine hethitische Oberschicht nächstliegende mächtige Gottheit, nämlich die «Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, Königin aller Lande», wie es Ḫattušili III. (13. Jh. v. Chr.) aussprach. Sie war der «El `äljon» (der höchste Gott) in Jerusalem. – Und allein die Sonnengöttin von Arinna/Arawna (4) konnte im Text II. Samuel 24 die Seuche stoppen.

Was die Vorstellung von Hethiter, Indogermanen und indogermanischen Götter betrifft: Die Göttinnen und Götter der Hethiter waren nicht indogermanisch sondern in erster Linie hattisch. Dazu kamen die Gottheiten aus besiegten Länder wie der bereits erwähnte Wettergott aus Aleppo oder die hurritische «Göttin der Nacht», die mit Ištar von Šamuḫa gleichgesetzt wurde (5). Auch waren «die Hethiter» keine reinen Indogermanen sondern ein gut altorientalischer Völkermix aus Hattiern, indogermanischen Nesitern, Paläern und Luwiern sowie semitischen Assyrern, Syrern, Babyloniern, Hurritern, Kaskäern. – Und ägyptische Ärzte waren im Hattiland hoch angesehen.

In II. Samuel 24 wird eine Erzählung über die Pest als Strafe Gottes mit der kultischen Übergabe des Königtums verbunden. Die Stichworte König - Militär - Pest – Strafe – Arawna passen bestens in eine Situation des 14. Jh. v. Chr., als eine hethitische Armee-Einheit die Beulenpest (6) aus Syrien nach Anatolien brachte. Darauf wütete die Krankheit 20 Jahre lang im Hattiland. Auch der hethitische Grosskönig Šuppiluliuma I. und sein Nachfolger Arnuwanda starben an der Seuche, und auf den Thron kam der jugendliche Mursilli II. Dieser wandte sich in seinen Pestgebeten an die hethitischen Gottheiten, unter anderem an die Sonnengöttin von Arinna.

3.2. Der Name Arawnah

Der Begriff Arawna wird in II. Samuel 24 unterschiedlich geschrieben:

V. 16 Ha-awarnah, also Awarnah mit Artikel
V. 18 arania
V. 20a arawnah
V. 20b arawnah
V. 21 arawnah
V. 22 arawnah
V. 23a arawnah
V. 23b arawnah
V. 24 arawnah
I. Chr. 21,15: Arnan oder Ornan (7).

Mehrheitlich wird im Text Arawnah geschrieben, also mit waw unpunktiert. Waw punktiert wird zu u oder o. Demnach kann der Name auch Aronah oder Arunah heissen. Der Jebusiter heisst also genau gleich wie die «Lade» (Ha-Araron». Die Auffälligkeit zwischen den beiden Bezeichnungen lässt den Schluss zu, dass die Lade Aaron und der der Name Arawnah den gleichen Ursprung haben, nämlich die Sonnengöttin von Ari-nna. Und wie Othmar Keel betont, stand schon vor dem Jerusalemer Tempel, den Salomo errichtet hatte, der Tempel einer «Sonnengottheit» (8). Er denkt an die hurritisch-hethitische Chepa vom Typ der Aschirat/Aschera. Doch die Göttin Chepa (Ḫepa) war keine Sonnengöttin und ist auch nicht im Namen Arawnah enthalten. Beim salomonischen Tempel handelt es sich um den Tempel der «(Sonnengöttin von) Arinna», die im 13. Jahrhundert v. Chr. mit Ḫepa gleichgesetzt wurde. Erst im Laufe der judäischen Königszeit wohl unter König Josia (II. Kön. 23) wurde aus dem Jerusalemer Tempel ein Jahwe-Tempel.

Arawnah wird in der Fachliteratur mit «El `äljon» (der höchste Gott) identifiziert und Fritz Stolz fragt sich:

Wie ist der Name Arwna zu deuten? Es sind Etymologien versucht worden, die auf den hurritischen oder hethitischen Sprachraum verweisen. Es dürfte aber am leichtesten fallen, den Namen mit dem in der Götterliste des zwischen Subbiluliuma und Mattiwaza, dem Mitanni-Herrscher, abgeschlossenen Vertrages genannten Uruwna zusammenzubringen. Es handelt sich hierbei um den alten indogermanischen Himmelsgott, der in Indien als Varuna, in Griechenland als Uranos wiederkehrt (9).

Arawna setzt der Autor mit Varuna gleich und belegt dies mit einem Vasallenvertrag zwischen dem hethitischen Grosskönig Šuppiluliuma I. (1355-1320) und dem Hurriter Šattiwazza oder Mattiwaza (je nach Lesart). Doch Varuna kommt in all den Tausenden hethitischen Tontafeln hier das eine Mal vor – das einzige Mal zusammen mit «Mithra». Zu diesem Vertrag kam es, nachdem Šuppiluliuma I. in mehreren Feldzügen das hurritische Mitannireich erobert hatte und Šattiwazza als Vasallenkönig im übrig gebliebenen Gebiet von Mitanni oder Habilgalbat, wie es die Assyrer nannten, eingesetzt hatte. - Der Vertrag zwischen Suppiluliuma I. und Šattiwazza/Mattiwaza beginnt mit:

The Sun-god of Heaven, the Sun-goddess of Arinna, the Storm-god of Heaven the Hattian Storm-god, Seris (and) Hurris, Mount Nanni (and) Mount Hazzi (10), ….

Der Vertrag wurde von den Hethitern zu Füssen der Sonnengöttin von Arinna deponiert:

A duplicate of this tablet has been deposited before the Sun goddess of Arinna, because the Sun goddess of Arinna regulates Kingship and Queenship. (ANET, 5) (11)

Im stark verkleinerten Mitannireich dagegen bewachte Gott Tesub das Duplikat:

In the Mitanni land (a duplicate) has been deposited before Tesub, the Lord of the Kurinnu of Kahat.

Dann folgt eine lange Liste von Göttinnen- und Götternamen, die den Vertrag besiegeln sollen. Und ganz zum Schluss – wirklich am Schluss - tauchen die Namen Varuna und Mithra auf. Der Text lautet transkribiert:

  1. DINGIRmes Mi-it-ra-as-si-il
    DINGIRmes U-ru-un-na-as-si-el
  2. DINGIRmes Mi-it-ra-as-si-il
    DINGIRmes A-ru-na-as-si-il
    d-In-da-ra DINGIRmes Na-sa-at-ti-ia-an-na

Der Vertrag ist in hethitischer Sprache verfasst, die bekanntlich mit der babylonischen Keilschrift wiedergegeben wurde. Dabei sind Sprache und Schriftsystem nicht kompatibel, sodass Wiederholungen von Wortelementen unvermeidlich waren (12). Die sich wiederholenden Vokalen können daher gestrichen werden.

Auch Karl Jaros setzt in seinem Buch «Sichem» Arwnah mit Varuna gleich. Er schreibt:

Nach Ablösung der mittanischen Elemente (-ssil,-nna), sind das vedische Götterpaar Mitra und Varuna, der vedische Gott Indra und die Götterzwillinge Nasatya zu erkennen (13).

So wie ich das sehe, sind die Namen Mithras und Uruna im Vertrag doppelt aufgelistet, wobei Uruna das zweite Mal mit Aruna gleichgesetzt wird. Ist hier der hattische Meeresgott Aruna gemeint, mit dem Uruna gleichgesetzt wird? In einem anderen Text wird Mezzulla, die Tochter der Sonnengöttin von Arinna «Mezulla von Urauna» genannt. Mit Urauna ist nach Volkert Haas eine Stadt gemeint (14).

Nach Jean Przyluski im Eranos-Jahrbuch 1938 waren Varuna und Mithra ursprünglich weibliche Gottheiten. Er schreibt:

Nach Herodot (I,131) heiss Aphrodite bei den Persern Mithra. Es scheint mithin, dass der iranische Mithra aus einer Verschmelzung der Göttin-Mutter mit dem indisch-iranischen Gott Mithra hervorging. Herodot erzählt an der gleichen Stelle, dass die Perser von Assyrern und Arabern den Brauch übernahmen, der Urania zu opfern. Diese Urania entspricht zweifellos der Göttin, die bei den Indern Varuna hiess (15).

Vielleicht geht auch der griechische Begriff Urania «die Himmlische» auf Arinna oder Urawna zurück? Jedenfalls ist Urania der Beiname verschiedener griechischen Göttinnen, etwa Aphrodite Urania (16).

Die Tenne

Im II. Samuel 24 beabsichtigte der Jebusiter Arawnah dem David die Tenne samt Rinder zu schenken. Doch dieser wollte für das Grundstück unbedingt bezahlen. - Fritz Stolz fragte sich, was in II. Sam. 24 mit grn („Tenne“) gemeint sei: ein offener Platz, der nur landwirtschaftlich genutzt wurde und somit kultisch jungfräulich war? Oder ist grn terminus technicus für eine Kultstätte? – Die Frage müsse offenbleiben.

Daraus folgert er, dass die Tenne Araunah grn aruna den altjebusitischen Kultplatz von Jerusalem (17) bezeichne und schreibt:

Es handelt hier um eine vorisraelitische Sagenfassung, in der nicht David der Kultgründer war sondern wohl eher der Jebusiter Araunah. Ursprünglich dürfte die Geschichte so geendet haben, dass Araunah den Pestengel auf dieser Tenne gesehen hatte und eilends einen Altar errichtete und der Gottheit sein Dreschvieh geopfert hatte. Mit der Übernahme des Heiligtums durch Israel wurde die Sage neu geschrieben und David als Kultgründer eingesetzt. Darauf weisen das Element der Eigentumsübertragung und das Zurücktreten Araunas. Die Erzählung legt viel Gewicht darauf, dass David ganz legal in den Besitz der Tenne gekommen ist und erweckt so den Eindruck, als ob David den Jahwegottesdienst in Jerusalem auf kultisch jungfräulichem Boden eingerichtet hätte. (18)

3.3.1. Die dreschende Anat

Zum Vergleich kommt in den Ugarith-Texten eine dreschende Anat vor: So sucht die Göttin Ana im Mythos von Ras Schamra (19) ihren Bruder Baal, der von Mot getötet wurde. Um Baal zu rächen, greift Anat den Gott Mot an:

Sie ergriff Mot beim Zipfel des Kleides,
Sie fasste (ihn) am Saume des Mantels;
Sie erhob ihre Stimme und rief:
«Komm, Mot, gib mir meinen Bruder (zurück)!»
Da entgegnete Els Sohn Mot: «Was verlangst du von mir, oh Jungfrau Anat»?

Mot ist der Gott der glühenden Sommerhitze. Im Herbst wird das Getreide in einem kanaanäischen Agrarkult auf der Tenne gedroschen und gemahlen. Dieser Vorgang wird im Kult auf die Götter Anat und Mot übertragen. – Als Anat Mot das zweite Mal angriff, heisst es:

Sie (Anat) packte ihn (Mot) mit dem Schwerte,
Sie worfelte ihn mit der Getreideschwinge,
Sie röstete ihn am Feuer,
Sie mahlte ihn in der Mühle,
Sie streute seine Überreste auf das Feld.
Nicht frassen die Vögel seine Glieder,
Nicht verzehrten die Gefiederten die Überreste,
eins nach dem andern (I AB, II,31-37)

Anat als Kriegsgöttin sitzend Kriegsgöttin Anat (20)

Einen Angleichung der hethitischen Sonnengöttin von Arinna mit der ugarithischen Göttin Anat zeigt ein jüdischer Text auf der Elephantine-Insel im Nil aus dem 5. Jh. v. Chr. Renate Laut (21) geht davon aus, dass ein Teil der nordisraelitischen Bevölkerung dorthin geflüchtet war, als Bethels Kultstätte Ende des 7. Jahrhunderts v. Chr. der Reform des Königs Josia zum Opfer fiel. Die jüdische Gemeinde auf der Elephantine-Insel beteten zu «Anat-Bethel», «Anat-Jahu» (22) und zur Göttin Aschim. Die Göttinnen werden heute als Partnerinnen Jahwes interpretiert (23). So schreibt Izak (Sakkie) Cornelius: So schreibt Izak (Sakkie) Cornelius:

Im 5. Jh. v. Chr. findet man Anat als Anat-Jahu in den Papyri der jüdischen Gemeinde von Elephantine. Das bedeutet, dass Anat nicht nur mit dem Gott Bethel, sondern auch mit Jahwe verbunden wurde. Auch in Papyrus Amherst 63,VII, einem aramäischen Text in demotischer Schrift aus dem 4. Jh. v. Chr., lebt Anat fort (CScr 1.99, VII) (24).

Wie bereits erwähnt hat Hosea «Bethel» als «Beth-Awon» verhöhnt, worauf ich folgere dass mit «Beth-Awon» die Göttin Aaron/Arinna» gemeint sein muss. Von daher denke ich, dass im Laufe der Jahrhunderte die ägyptisch-jüdische «Anat-Jahu» auf den ursprünglich hattischen Name Ištanu Kašbarujah von Arinna (hebr. Aaron Kaboth-Jhw) zurückgeht.

Im 2. Jahrtausend v. Chr. war Ugarith ein hethitischer Vasallenstaat und musste an die Sonnengöttin von Arinna Tribut zahlen:

Hier der Tribut, den (weihen wird) (Ni)qmad
Der Sonnengöttin von Arinna; zw(ölf) Minen
zwanzig schwere Sekel (Silber), eine Mine Gold
und (fünf) Leibröcke und an Wolle
(fün)f(hu)ndert (Sekel) rotgefärbte
(und fünfhu)ndert (Sekel) blaugefärbte -
der Tribut Niqmads, des Königs
von Ugarit, den er bringen wird der Sonne,
dem grossen König, seinem Herrn.

Die Tributzahlung ist in einem hethitischen und einem akkadischen Text, der damaligen Handelssprache, verfasst (25).

Der uns vorliegende Text II. Sam. 24 wurde von einem exilischen Redaktor aus einer Vorlage neu auf den Jahwe-Glauben gestaltet. Dabei wurde der ursprüngliche Kultgründer durch David ersetzt, der auf göttlichem Geheiss Jahwes einen Tempel bauen und ihm opfern soll. – Ob zur Zeit Davids Jahwe überhaupt verehrt wurde, ist aber nicht belegt (26). Bei der Tenne handelt es sich ursprünglich um den sakralen Platz von Jerusalem, um Zion, wo bereits vor Davids Ankunft ein Tempel der Sonnengottheit stand. Dazu schreibt Othmar Keel:

Wie jede bronzezeitliche kanaanäische Stadt muss Jerusalem eines oder mehrere Heiligtümer besessen haben. Der Name Jerusalem «Gründung Schalems» (Morgenröte) suggeriert, dass dazu ein Heiligtum für den Kult einer Sonnengottheit gehörte. Auf kanaanäische Sonnenkulte in der Gegend von Jerusalem verweisen Namen wie Beth-Schemesch «Haus, Tempel des Sonnengottes» und «En-Schemesch» «Quelle des Sonnengottes (27). Wie wir im 2. Kapitel gezeigt haben, wird auch die Sonnengöttin von Arinna als Šamaš bezeichnet. Der Name Arinna bedeutet wie erwähnt «Stadt der Quelle». Dies passt zu «En-Schemesch» oder zur Quelle Gihon in Jerusalem, die an mythische Traditionen von Urflut und Endzeit gebunden war (28).

Die Sonnengöttin von Arinna in Eflatunpinar Die Sonnengöttin von Arinna in Eflatunpinar aus hittitemonuments.com

In II. Samuel 24 drischt der Jebusiterpriester anstelle der Arawnah auf der Tenne und hält gleichzeitig Ausschau nach dem Geliebten DWD der Göttin (29). Und da stellt sich beim Priesterkönig Arawnah die Frage, ob es sich hier wirklich um einen Mann handelt oder doch eher um eine Priesterin-Königin? - Doch dies ist eher unwahrscheinlich, schon weil für unsere patriarchalen Theologen der Grundsatz lautet:

MANN / MÄNNLICH = WAHR; (frau/weiblich ?? = unwahrscheinlich!)

Ein kleiner Hinweis, dass in vorisraelitischer Zeit die Mutter den König gekrönt hatte, geht auch aus einer Inschrift von Abdi-Chepa «Diener der (Göttin) Ḫepa» von Jerusalem (um 1350 v. Chr.) hervor. Er betont in einer Inschrift, dass der ägyptische Pharao ihn als König von Jerusalem eingesetzt hatte und nicht Vater noch Mutter:

Siehe, mich hat weder mein Vater noch meine Mutter an diesem Ort eingesetzt,
der mächtige Arm des Königs hat mich eingeführt in das Herrscherhaus meines Vaters (EA 286)(30).

Diesen Satz verstehe ich so, dass der Fürst Abdi-Ḫepa für die Ägypter den Vater erwähnt, aber in seiner eigenen Kultur ist es die Mutter, die ihn gekrönt hatte – sonst hätte er ja die Mutter gar nicht erwähnt. Abdi-Chepa «Diener der (Göttin) Ḫepa» (dt. Eva) ist ein hurritischer Name wie der des Königs Abdi- Aširta (um 1380 v. Chr.) von Amurru. Auch im hethitischen Grossreich hatten die Könige häufig hurritische Namen.

Zur Zeit des ägyptischen Pharaos Amenophis III. und seines Sohnes Echnaton wurde Kanaan von Ägypten «lose kontrolliert» (31). In dieser Zeit eroberte der Anführer Abdi- Aširta einer Hapiru-Gruppe ganz Amurru und wurde deren König unter dem Vorwand, er vertrete die ägyptischen Interessen gegen äussere Feinde, d.h. gegen die Hethiter. Im Geheimen aber sympathisierte er mit Šuppiluliuma I. Abdi- Aširta ist eine der bekanntesten Gestalten in den Amarna-Texte. Sein Name Abdi-Aširta ist wie der seiner Nachfolger hurritisch, ausserdem konnte er lesen und schreiben und dürfte demnach aus der mitannischen Königshaus stammen. Von daher wäre auch seine Kooperation mit Šuppiluliuma I. zu verstehen. - Wie Abdi-Aširta dürften noch weitere fürstliche Flüchtlinge aus Syrien oder Anatolien ins ägyptische Hoheitsgebiet geflohen sein, um sich dort als Verteidiger ägyptischer Interessen zu Fürsten eines Stadtstaates legitimieren zu lassen.

Die «Hapiru» waren im 2. Jahrtausend v. Chr. Flüchtlinge, Kriminelle und Randständige, die im ganzen Alten Orient – bereits in der Karum-Zeit in Zentralanatolien belegt - herumzogen und als Gruppen die Handelswege bedrohten. Sie wurden auch als Söldner angestellt, wenn Kleinfürste ihr Gebiet vergrössern wollten (32).

3.3.2. Das Hohelied

Das Hohelied gilt heute als Sammlung profaner Liebesgedichte (33), ihm wird jede sakrale Bedeutung abgesprochen, denn es handelt von einer jugendlichen Göttin und ihrem Sohngeliebten. Und das passt jetzt einfach nicht zu unserer betont patriarchalen Theologie, die die Überlegenheit von Göttern und Männern aggressiv verteidigen.

Im Hohenlied wird Baal auch Dod (דוד, Geliebter) genannt so wie David (דוד) «Liebling» (34)bedeutet. Aber auch Jahwe selber wurde ausserhalb der Bibel im 9. Jh. v. Chr. als Dod (Geliebter) bezeichnet. So verkündet Mescha, der König der Moabiter nach einem Feldzug gegen Israel:

Und die Leute von Gad wohnten im Lande Atarot von jeher. Und der König von Israel hat für sich Atarot gebaut. Ich griff die Stadt an und nahm sie ein. Und ich tötete alles Volk (?) der Stadt als Opfer für Kemosch und für Moab. Und ich brachte von dort den Altar ihres (Gottes) Dod (= Geliebter) und schleppte ihn vor Kemosch in Qerjot. Und ich ließ dort die Leute von Scharon und die Leute von Maharot wohnen. Und Kemosch sprach zu mir: Geh, nimm Nebo (im Kampf) gegen Israel (35).

Wilhelm Wittekindt sieht im Hohelied eine Fruchtbarkeitsliturgie um die Göttin Ištar und ihrem irdischen Geliebten Dod, dem König. Hohelied 6 betrachtet der Autor als Todesliturgie des Baal-Dod.

a) Wohin ist dein Dôd gegangen, du Schönste der Frauen? (Vgl. 1,8) b) Wohin hat sich dein Dôd gewandt, dass wir ihn mit dir suchen?

Dod-Baal gibt zur Antwort:

V. 2.aMein Dôd stieg in seinen Garten hinab zu den Balsambeeten,
bZu weiden in (den Gärten?), Anemonen zu pflücken.
V. 3Ich gehöre meinem Dôd, und mein Dôd mir
(, der in den Anemonen weidet). (HL 6,2.3)

Im ugarithischen Text wird Baal-Dod vom Todesgott Mot verschlungen (37) und steigt hinab in die Unterwelt (38). Darauf sucht Anat ihren Geliebten und besiegt Mot. Baal-Dod steigt darauf hinauf auf den heiligen Berg. Ein solcher Aufzug wird auch in Hl. 3,6-11 geschildert:

Mesha-Stele Mesha-Stele (36)

Wer steigt da herauf aus der Trift in Säulen von Rauch,
umduftet von Myrrhen und Weihrauch,
von allerlei Gewürzstaub des Händlers?
Siehe, das ist Salomos Sänfte, von sechzig Helden umgeben aus Israels Helden.
Alle tragen sie Schwerter, sind geübt im Kampfe;
ein jeder hat sein Schwert an der Seite gegen nächtlichen Schrecken .
Einen Tragsessel liess sich der König machen aus Hölzern vom Libanon:
die Füsse von Silber, die Lehne von Gold, der Sitz ein Purpurkissen,
das Innere mit Ebenholz ausgelegt.
Ihr Töchter Jerusalems, kommt heraus und beschaut den König
in der Krone, mit der seine Mutter ihn krönte am Tag seiner Hochzeit,
am Tag seiner Herzensfreude.

In Hohelied 3,6 wird der Aufzug Dôds nach Jerusalem wie eine Rauchsäule beschrieben, die aus der Wüste zum heiligen Berg Zion hinaufzieht. In V. 7.9 wird Baal-Dod mit König Salomo identifiziert, der sich in einer Sänfte zur Geliebten hinauftragen lässt. Als Dod-Baal oben auf dem Zion angekommen war, findet die Hochzeit statt. Davor krönte ihn seine Mutter zum König. Mit dem Baal-König zieht auch sein Heer mit hinauf auf den Berg Zion (Hl 3,7f.). Auf dem Zion findet neben den Opferungen auch die Heilige Hochzeit statt, d.h. die sechzig Helden veranstalten mit den Hierodulen des Tempels den Hieros Gamos (39).

Dass mit der Tenne ein kultischer Ort gemeint ist, geht auch aus II. Samuel 6 hervor: Da wurde der Priester/Priesterin (40) Ussa bei der Tenne Nahors getötet (II. Sam. 6,6), angeblich weil er/sie die Gotteslade berührt hatte. - Auffällig ist der Name Ussa, der auch in Psalm 132,8 in «du und deine machtvolle Lade» (וַאֲרֹ֥ון עֻזֶּֽךָ) vorkommt. - In II. Samuel 6 wird aber auch David beschrieben, der nackt (bloss mit einem Schürzchen bedeckt) hinter der Aaron her tanzt – wie der Geliebte DWD der Göttin eben.

3.3.3. Die Tenne bei den Schriftpropheten

Der Schriftprophet Hosea projiziert die Göttin auf das Volk Israel und wettert:

Freue dich nicht, Israel, juble nicht wie die Völker, denn du hast Hurerei getrieben, bist deinem Gott fern. Den Hurenlohn hast du geliebt, wo immer Getreide gedroschen wurde. Dreschplatz und Kelter werden sie nicht ernähren, und der Wein wird sie im Stich lassen. Sie werden nicht im Land des HERRN bleiben, und Efraim wird zurückkehren nach Ägypten, und in Assur werden sie essen, was unrein ist. Sie werden keinen Wein ausgiessen für den HERRN und ihm ihre Schlachtopfer nicht darbringen. Diese sind für sie wie Trauerbrot, alle, die es essen, machen sich unrein, denn für sie selbst ist ihr Brot bestimmt, in das Haus des HERRN gelangt es nicht. Was werdet ihr tun am Tag der Festversammlung und am Tag des Fests des HERRN? (Hosea 9,1-5)

Statt dem Menschenopfer (II. Sam. 6,6) soll das Volk Israel sich zerstreuen wie der Spreu von der Tenne:

Wenn Ephraim redete, so erzitterte man; hoch erhaben war es in Israel. Da verschuldete es sich durch den Baal und - starb. 2. Und nun fahren sie fort zu sündigen; sie machen sich Gussbilder aus ihrem Silber, Götzen nach ihrem Bilde; Machwerk von Schmieden ist alles. Ihnen, sagen sie, bringt Opfer dar! Menschen sollen Kälber küssen! Darum sollen sie werden gleich der Morgenwolke und wie der Tau, der bald verschwindet, wie Spreu, die von der Tenne verweht wir, und wie Rauch aus der Luke. (Hosea 3,1-3)

Beim Prophet Micha drischt die Tochter Zion viele Völker:

Steh auf und drisch, Tochter Zion, denn ich mache dir eiserne Hörner und Hufe von Erz, dass du viele Völker zermalmst und «weihst» ihren Gewinn dem Jahwe und ihren Reichtum dem Adon (Herr) der ganzen Erde. (Micha 4,12f.)

Der Satz «und «weihst ihren Gewinn dem Jahwe» erinnert an II. Kön. 12, wo «Aaron» als Spesenkasse für die Renovation des Tempels gedacht ist. – Darüber später.

Beim Prophet Joel (Kap. 2) erscheint Jahwe in seiner ursprünglichen Gestalt als Wettergott:

Sei ohne Furcht, Acker, frohlocke und freue dich; denn der Herr hat Grosses getan (V. 21)

Fürchtet euch nicht, ihr Tiere des Feldes; denn neu grünen die Auen der Trift,
die Bäume tragen ihre Frucht, Feigenbaum und Weinstock geben vollen Ertrag. (V. 22) Und ihr Kinder Zions, frohlocket und freuet euch über den Herrn, euren Gott! Denn er hat euch Nahrung gegeben zum Heil und euch Regen gesandt, Herbstregen und Frühjahrsregen wie vordem. Da werden die Tennen sich füllen mit Korn und die Keltern überfliessen von Wein und Öl. (V. 23f.)

Er ist der Gott, der die Göttin des Ackers/der Erde mit Regen befruchtet: «Sei ohne Furcht, Acker, frohlocke und freue dich; denn der Herr hat Grosses getan». Die Angeredete ist wohl Wuru(n)šemu von Arinna, die im Jerusalemer Tempel im Dunkeln wohnt.

Fazit: Die Tenne, der Dreschplatz war ursprünglich ein kultischer Ort, wo alte Ackerriten mit Opfer und Heilige Hochzeit vollzogen wurden. Dabei setzte die göttliche Mutter resp. ihre irdische Vertreterin den König in Jerusalem ein.

3.4. Suppiluliuma I. und die Pest

Beim Text I. Samuel 24 geht Fritz Stolz davon aus, dass es hier ursprünglich um die Einsetzung Arawnas als König von Jerusalem ging und erst nachträglich um die Gründungsgeschichte mit David. Der Name Arawnah wird von Fritz Stolz und Karl Janos mit Šuppiluliuma I. im 14. Jh. in Verbindung gebracht. Zu diesem hethitischen Grosskönig und seiner Zeit passt auch das Motiv «Pest», die in den alttestamentlichen Samuelbücher mit Aaron (I. Sam. 4-6) und Arawna (II. Sam. 24) auftaucht.

Siegel von Suppiluliuma I.

Royal Seals with Inscriptions of Suppiluliuma I (41)
Die Sonnengöttin von Arinna wurde vor allem als geflügelte Sonnenscheibe dargestellt (42)

Suppiluliuma I. kämpfte in Syrien gegen eine anti-hethitische Alliance verschiedener Kleinfürsten (43). Sein Ziel war es aber, das hurritische Mitanni-Reich zu zerstören.

ägyptische Königin Ankhesenamun Queen Ankhesenamun (44)

Mitten in den Kämpfen erreichte Suppiluliuma I. eine Nachricht von Ägypten. Da schrieb ihm die Witwe des verstorbenen jugendlichen Pharaos Tutanchamun, er möge ihr einen seiner vielen Söhne schicken. Dieser Sohn soll ihr Gemahl und künftiger Pharao werden. Nach langem Hin- und Her – man nennt das heute die Dahamunzu-Affäre - schickte der hethitische Grosskönig seinen Sohn Zannanza nach Ägypten. Der hethitische Prinz starb aber auf der Reise nach Ägypten, was damals als Mord verstanden wurde. – Vielleicht war er auch an der Pest gestorben. Denn kurz darauf überfiel eine hethitische Militäreinheit die ägyptisch kontrollierte Amka-Ebene ein und schleppte mit den Kriegsgefangenen eine Seuche in Anatolien ein.

Zwanzig Jahre dauerte die Krankheit in Anatolien. Auch Suppiluliuma I. und sein Sohn und Nachfolger Arnuwanda fielen der Krankheit zum Opfer.

Siegel Suppiluliuma I. Šuppiluliuma and Tawananna’s Seal (45)

Dann folgte der jugendliche Muršili II. auf den Thron. Er sah die Ursache der Epidemie bei den Sünden seines Vaters, die er vor dem Wettergott (46) ausbreitete und klagte vor den Gottheiten in Arinna. Trevor Bryce interpretiert die deutsche Interlinarübersetzung wie folgt:

What have you done, o Gods? You have allowed a plague to enter the land of Hatti and all of it is dying! Now there is no-one to prepare food and drink offerings for you. No-one reaps or sows the god’s fields, for the sowers and reapers are all dead! The mill women who used to make the bread of the gods are all dead! All the corrals and sheepfolds from which cattle and sheep were chosen for sacrifice are empty, for the cowherds and shepherds are all dead! …. (KUB XXIV3 and duplics CTH 376) (47)

Was für ein Unterschied zwischen diesem verzweifelten Gebet und II. Samuel 24, wo knapp von ein paar Tausend Pesttoten die Rede ist.

3.4.1. Hethitische Deserteure in Kanaan

Beim hethitischen Überfall auf die ägyptische Garnison mussten bereits einige Leute an Ort erkrankt, und einige Hethiter die Gefahr erkannt und geflohen sein. Da das hethitische Militär zu jener Zeit Syrien kontrollierte, stand den Deserteuren nur Kanaan offen. Den Ernst der Lage dürften auch hethitische Elitesoldaten aus der Adelsschicht begriffen haben. Sie waren gebildet, konnten lesen, schreiben und konnten sich in der Handelssprache Akkadisch verständigen. Überdies kannten sie sich im Kriegshandwerk aus. - Solche Leute waren den Ägyptern stets willkommen, und so wurden sie als Vasallenfürsten an neuralgischen Orten oder an wenig besiedelten Aussenrändern ihres Reiches angesiedelt (48), im Falle von II. Samuel 24 in Jerusalem. Jerusalem war im 2. Jahrtausend v. Chr. ein unbedeutendes Kaff in einer wenig besiedelten Gegend. Erst unter dem ehrgeizigen König Josia im 7. Jahrhundert v. Chr. erlangte die Stadt die überragende Bedeutung, wie es alttestamentliche Autoren in die Gründungszeit Davids um 1000 v. Chr. hineininterpretierten (49).

Aus II. Samuel 24 geht hervor, dass eine Seuche/die Pest mit Hilfe einer Gottheit, die der Jebusiter Arawnah vertrat, zum Stillstand kam, und ein neuer König eingesetzt wurde. Aus Hohelied 3,6-11 ist zu erfahren, dass die (göttliche) Mutter den König in sein Amt eingeführt hatte. Da die Sonnengöttin von Arinna bei den Hethitern offiziell die Königs- und Landesmutter war, gehe ich davon aus, dass die Elite der hethitischen Deserteure sich nach hethitischer Tradition als «die Söhne der Staatsgöttin» im fernen Lande verstanden hatten (50).

3.4.2. Der Kuruštama-Vertrag

Die mutmassliche Flucht hethitischer Soldaten ist aber nicht die einzige Hethiterwelle nach Kanaan. So erfahren wir von Muršili II. (ca. 1318–1290 v. Chr.), dass sein Vater Suppiluliuma I. bei seinem Überfall ins ägyptische Amka-Gebiet den Kuruštama -Vertrag aus dem 15. Jh. v. Chr. verletzt hatte, einen Nicht-Angriffs-Vertrag zwischen Hethitern und Ägypten. Darin wurde erwähnt, dass Leute aus der Stadt Kuruštama im Norden Anatoliens «Ägypter» wurden, d.h. nach Ägypten versetzt wurden. Es wird viel darüber diskutiert, was für Leute diese Männer von Kuruštama waren: Kriegsgefangene? Flüchtlinge vor Einfällen von Kaskäer? Oder Aufständische gegen den hethitischen König? - Der Vertrag wurde mit dem Schwur unter dem Wettergott von Hatti besiegelt. Ihn hatte Suppiluliuma I. mit seinem Überfall ins von Pest verseuchten ägyptischen Gebiet gebrochen. – Nach Aharon Kempinski (50) waren die Männer vom Norden Anatoliens nach Kanaan, ins Gebiet Israel übersiedelt worden:

Clearly, the Hittites were not a Semitic people with a tribal center in Palestine or in Syria. On the contrary, they were an Indo-European people who governed a vast empire which at its height extended as far south as Kadesh in Syria.

Indo-Europäisch waren die Leute von Kuruštama kaum. Denn der Ursprungsort Kuruštama lag im Norden Zentralanatoliens, im Land der Hattier, das im 15. Jahrhundert v. Chr. von Kaskäer-Stämmen bedroht wurde. Aber auch Hurriter überfielen von Süden her ab und zu diese Gegend. Im 18. Jh. spielte Kuruštama auch als Station assyrischer Händler eine Rolle. Das heisst, hier lebt eine Bevölkerung aus hattischer, indo-europäischer, kaskäischer, hurritischer und assyrischer/semitischer Abstammung (52). Die Kuruštama-Leute waren wie Aaron/Arinna im Alten Testament zeigt, in der hattischen Tradition verwurzelt und verehrten als höchste Gottheit die Sonnengöttin von Arinna (53). - Der Enkel Mursilis II., Grosskönig Tudhaliya IV. (ca. 1236–1215 v. Chr.) bestätigt den Nicht-Angriffs-Vertrag und siegelt ihn: «mit dem Siegel der Sonnengöttin von Arinna und mit dem Siegel des Wettergottes von Ḫatti» (Bo 86/229) (54).

Literaturhinweise:

  1. Fritz Stolz, Strukturen und Figuren im Kult von Jerusalem, S. 9f.
  2. Georg Hentschel, «Arauna», April 2009 in bibelwissenschaft.de
  3. Othmar Keel, Jerusalem und der eine Gott, S. 53
  4. So etwa auch Eckart Otto, das antike Jerusalem, S. 51; Karl Janos, Sichem, S. 119. Bei Fritz Stolz sind Götter immer männlich. Im Falle, in dem er weibliche Götter nennen muss, sind sie in den Fussnoten angefügt. So sind die Fussnoten manchmal länger als der eigentliche Text.
  5. Andreas Müller-Karpe/Vuslat Müller-Karpe, «Untersuchungen in Kayalipinar 2017 und 2018», S. 222, MDOG 151/2019
  6. vgl. Johannes Krause, «Die Reise unserer Gene – eine Geschichte über uns und unsere Vorfahren», über die Beulenpest, S. 173ff. Er beschreibt die Beulenpest als eine gefährliche Mutante des ursprünglichen Pestbakteriums (S. 182)
  7. «Ornan» in der Luther Bibel und in der Zürcher Bibel
  8. Othmar Keel, Jerusalem und der eine Gott, S. 43
  9. So etwa auch Eckart Otto, das antike Jerusalem, S. 51; Karl Janos, Sichem, S. 119
  10. ANET, S. 205
  11. ANET (Ancient Near Eastern Texts Relating to the Old Testament), edited by James B. Pritchard, 3rd edition 1969
  12. Dazu G. Heinrichs, Einführung in die hethitische Schrift, S. 7
  13. Karl Janos, Sichem, S. 119
  14. Volkert Haas, Geschichte der hethitischen Religion, S. 427.474
  15. Eranos-Jb. 1938, S. 50
  16. «Urania» in wikipedia
  17. Ingo Kottsieper, «El» in bibelwissenschaft.de, April 2013
  18. Fritz Stolz, Strukturen und Figuren im Kult von Jerusalem, S. 9f.
  19. «Ras Schamra», übersetzt von J. Aistleitner, Bibliotheca Orientalis Hungarica VIII, Budapest, 1959
  20. «Warrior Goddess Anat», ägypische Darstellung in wikimedia.org
  21. Renate Laut, «Weibliche Züge im Gottesbild israelitisch-jüdischer Religiosität, S. 37
  22. Elephantine, wikipedia, 09.02.2021
  23. Eduard Meyer, Der Papyrusfund von Elephantine, S. 57-59
  24. Izak (Sakkie) Cornelius, «Anat» in «bibelwissenschaft.de», 20.09.2018
  25. O. Eissfeldt, Ein neuer Beleg für die Funktion der Sonnengöttin von Arinna als Oberhaupt des hethitischen Staates in Kleine Schriften, S. 505-513
  26. Martin Rose, Jahwe, Zum Streit um den alttestamentlichen Gottesname, 1978, S. 24f.
  27. Othmar Keel, Jerusalem und der eine Gott, S. 43; Die Sonnengöttin von Arinna wird in mesopotamischen Texten auch «Schamasch von Arinna» genannt. Nach Ditlef Nielsen wurden viele nordsemitische Göttinnen Sams genannt in «die altsemitische Muttergöttin» in ZDMG 1938, S. 504, Anm. 1
  28. Othmar Keel, Jerusalem und der eine Gott, S. 23
  29. Etwa Heide Göttner-Abendroth, «Die Göttin und ihr Heros»
  30. wikipedia «Abdi-Hepa» (Diener der Göttin Hepa, dt. Eva), 04.09.2018
  31. Wikipedia, «Kanaan», 02.06.2019
  32. Beispiel «Abdi-Ashirta» bei Trevor Bryce, The Kingdom of the Hittites, p. 168ff.
  33. Othmar Keel, das Hohelied; vgl. Martti Nissinen, die Heilige Hochzeit und das Hohelied, 1/2006 in www.lectio.unibe.ch
  34. Alexander Achilles Fischer, David, in bibelwissenschaft.de, Jan. 2009
  35. Mescha-Stele in wikipedia, 1. Juli 2019
  36. Circa 1891 photograph of the 9th century BC Mesha Stele, inscribed in the Moabite language by King Mesha of Moab aus wikimedia.org
  37. J. Aisleitner, die mythologischen und kultischen Texte aus Ras Schamra, Bibliotheca Orientalis Hungarica VIII, Budapest, 1959
  38. W. Wittekindt, Das Hohe Lied und seine Beziehung zum Istarkult,
    S. 171f.
  39. vgl. auch Ri. 6,37, ein Tauzauber, der im Istarkult gesehen wird: vgl. Robert Eisler, Weltenmantel und Himmelszelt, S. 81W. Wittekindt, Das Hohe Lied und seine Beziehung zum Ištarkult, 1925, S. 127ff.; vgl. Hinweis von Mircea Eliade, Kosmos und Geschichte, S. 74: Es war Brauch, dass anlässlich des jom ha-kippurim (identisch mit Neujahrsfeiertag) die jungen Mädchen sich vor die Stadtgrenzen hinausbegaben, um zu tanzen und sich zu belustigen; bei dieser Gelegenheit wurden auch die Heiraten ins Werk gesetzt. Am gleichen Tage aber duldete man auch eine Menge von Ausschreitungen, die manchmal sogar orgiastische Formen annahmen und uns sehr wohl an die letzte Phase des akîtu erinnern können
  40. Vgl. meine Interpretation zu II. Samuel 6
  41. Beate Pongratz-Leisten «Pictograph to Pictogram: «The Solarization of Kingship in Syro-Anatolia and Assyria» in « Cultures in Contact– From Mesopotamia to the Mediterranean in the Second Millennium B.C.» aus «academia.edu»
  42. Volkert Haas, Geschichte der hethitischen Religion, 426f. sowohl die Sonnengöttin von Arinna wie ihre Tochter Mezzulla werden als Sonnenscheiben verehrt. Auch die verstorbenen Grossköniginnen wurden als Sonnenscheiben, der Sonnengöttin von Arinna geopfert.
  43. Trevor Bryce, The Kingdom of the Hittites, p. 161
  44. Armarna era statuette head, thought to represent Ankhesenpaaten, sister and wife of Tutankhamun, aus wikipedia.org. - Ankhesenamun, thought to be the queen of Egypt who invited Suppiluliuma I to send his son Zannanza to become her consort aus wikimedia «Zannanza».
  45. Claude-Frédéric Schaeffer and Amand. Ugaritica III. 1956. Bild aus «The Role of Women in Politics in Hittite Society” von Yildirim Idil, 06.07.2012
  46. Text aus www.hethport.uni-wuerzburg.de
  47. Trevor Bryce, Life and Society in the Hittite World, p. 78; deutsche Interlinarübersetzung in www. hethport.uni-wuerzburg.de
  48. auch die Philister wurden um 1175 v. Chr. von den Ägyptern in Kanaan angesiedelt zum eigenen Schutz in Heike Sternberg - el Hotabi, Der Kampf der Seevölker gegen Pharao Ramses III., S. 53; wikipedia «Philister», 10.10.2019
  49. Israël Finkelstein, «Keine Posaunen vor Jericho»
  50. Eine Flüchtlingswelle ist uns aus dem Hethiterland Richtung Westen Kleinasiens bekannt. Mursilli II. holte darauf rund 65'000 Gefangene, Männer, Frauen und Kinder, die die Verstorbenen im eigenen Land ersetzen sollten in Trevor Bryce, The Kingdom of the Hittites, p. 194-197; 217ff.; wikipedia, «Muršili II.», 25.06.2019. Trevor Bryce wundert sich, wie dies logistisch überhaupt möglich war, schliesslich betrug der Weg mehrere 100 km. Beispiel: der Weg von Izmir nach Boğazkale beträgt 774 km, zu Fuss 158 Stunden, dabei beträgt der Anstieg 6’815 m, Abstieg 5'820 km, nach google.maps.com.
  51. Aharon Kempinski, Hittites in the Bible: What Does Archaeology Say? BAR 5:05, Sep-Oct 1979
  52. Francis Breyer, «Ägypten und Anatolien», S. 142ff.
  53. Volkert Haas, Geschichte der hethitischen Religion, S. 378
  54. Bearbeitet von H. Otten, 1988 in Volkert Haas, Geschichte der hethitischen Religion, S. 190, Anm. 46

Text und Design: Esther Keller-Stocker, Schweiz, 2019, letzte Revision: 19.07.2021

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Dreschplatz (Tenne) in Ägypten 19. Jh. aus wikimedia

Dreschplatz (Tenne) in Ägypten,
19. Jahrhundert, aus wikimedia.org